"Ein würdiger Nobelpreisträger"
Nach der Verleihung des begehrten Literaturpreises an
Tomas Tranströmer am Donnerstag urteilt die Presse über die Vergabe.
"Dagens Nyheter" (Stockholm):
"Im Zeitalter der nationalen Identitäten ist es vielleicht verlockend, Tranströmer als besonders schwedisch zu bezeichnen. Er ist von Leberblümchen und frühen Junimorgen auf eine Art und Weise verzaubert, die alle in unserem Land verstehen. (...) Aber wehe dem Politiker, der versucht, Tranströmer auf den nationalen Kontext zu beschränken. Er (Tranströmer) reist durch Raum und Zeit und reist zwischen Ochsen und Feldern auf dem Balkan. Im (Stockholmer) Stadttheater sprachen sein deutscher Verleger und ein irischer Kollege über das grenzenlose Verständnis, das seine Worte auf der ganzen Welt wecken. Sie können in alle Sprachen übersetzt werden."
"Sydsvenskan" (Malmö):
"Die Entscheidung (für Tranströmer) ist eine Sicherheitsentscheidung und frech gleichzeitig. Eine Sicherheitsentscheidung deshalb, weil sie - wie der vorjährige Preis - ermöglicht, das schlechte Gewissen zu beruhigen und einen Schriftsteller auszuzeichnen, der den Preis schon vor langer Zeit bekommen hätte sollen. Frech deshalb, weil sie den Ruf des Literaturpreises, vornehmlich eine europäische Angelegenheit zu sein, noch verstärkt. Aber selten war ein
Literaturnobelpreis so in Zuneigung eingebettet. Der irische Poet Paul Muldoon beschrieb im 'New Yorker' gestern, wie beliebt Tranströmer beim Volk ist und vermutete, dass die Schweden auf Stockholms Straßen tanzen würden. Wenn Tranströmer Fußballer wäre, dann wäre das garantiert auch so gewesen."
"Expressen" (Stockholm):
"Von den sechs schwedischen Schriftstellern, die vor ihm den (Literaturnobel-)Preis bekommen haben, kann sich bei der internationalen Bedeutung nur Selma Lagerlöf mit Tranströmer messen. Obwohl seine Lyrik tief in der schwedischen Natur verankert ist, hat seine vieldeutige Bildsprache eine universelle Dimension, die auch anderswo greifbar erscheint als mit Blick auf die Ostsee."
"TAZ" (Berlin):
"Der 80-jährige Tranströmer ist ein Psychologe und Poet der menschlichen Innenwelt. Er hatte so lange als Favorit für den
Nobelpreis gegolten, dass am Ende niemand mehr mit ihm gerechnet hat."
"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Ein großer Dichter in kleinen Formen: Der schwedische Lyriker Tomas Tranströmer erhält mit gutem Grund den
Nobelpreis für Literatur."
"Neue Zürcher Zeitung":
"Mit der Kür Tomas Tranströmers zum Nobelpreisträger hat sich die Schwedische Akademie von einer schweren Last und aus einem alten Dilemma befreit.(...) Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass die Entscheidung für Tomas Tranströmer eine glückliche ist. Sein der Langsamkeit entsprungenes, von schwebenden Bildern gesättigtes und federnden Gedanken durchsetztes Werk weist auf das Basale von Dichtung: auf Anfang und Ende, Einkehr und Verwandlung, auf Abstraktion und Anschauung, Sprachwerdung und Form."
"Welt" (Hamburg):
"Ein würdiger Nobelpreisträger. Schweden jubelt - und mit ihm freuen sich die Lyrikfreunde. Vor allem diejenigen, die statt abstrakter Philosophie oder politischer Bekenntnisse die klare, konzentrierte und musikalische Sprache bevorzugen. Denn wenige Autoren haben die Dichtung der klassischen Moderne so bereichert wie der am 15. April 1931 in Stockholm geborene Tomas Tranströmer."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung":
"Die Ehrung gilt einem Lyriker, dessen Werk jedem zugänglich ist. Denn der strenge Modernist und freundliche Mystiker ist ein Weltdichter.(...) Der
Nobelpreis für diesen Wortmusiker ist auch eine Auszeichnung für die moderne skandinavische Literatur, die von Lars Gustafsson bis zu Inger Christensen einige der wichtigsten Poeten der Weltpoesie hervorgebracht hat und die vom Nobelpreiskomitee doch allzu lange Zeit übersehen wurde, als habe sie ihre Großzügigkeit gegenüber schwedischen Dichtern im frühen zwanzigsten Jahrhundert überkompensieren wollen."
Stimmen aus Österreich
"Die Presse":
"Er schafft in seinen schmalen Bänden beeindruckende Bilder, seine Verse sind ausgefeilt und artistisch. Mit 80 Jahren hat sich der Sohn einer Lehrerin und eines Journalisten bei der Schwedischen Akademie endlich durchgesetzt, gegen die übrige Elite der Weltpoesie (...). Es ging also diesmal nicht um eine politisch motivierte Entscheidung wie so oft, seit eine Generation korrekter Juroren die Auswahl traf, sondern um Texte mit buchstäblich hoher Verdichtung, um Sprachkunstwerke, die dauerhafter sind als Erz."
"Kleine Zeitung":
"Immer wieder tauchte gestern in den Meldungen das Wort 'Überraschung' auf. Warum eigentlich? (...) Seit Jahren fiel der Name des Schweden, wenn es wieder Zeit für die üblichen Literaturnobelpreis-Verdächtigen war. Überraschung? Nie gehört? Sei's drum. Der 80-Jährige wird damit kein Problem haben. Er hat keinen Grund zur Klage, er sei als Dichter nicht wahrgenommen worden."
"Der Standard":
"Und obwohl nun wieder einmal ein weißer Mann und Europäer mit dem
Nobelpreis ausgezeichnet wird, dürfte die Entscheidung der Akademie nicht nur Schweden und Lyrikspezialisten freuen(...). Einer subjektiven Weltsicht, die immer wieder den Kampf des Individuums um Freiheit in einer materialistischen Welt thematisiert, ist Tranströmer in seinen bildreichen und raffinierten Versen treugeblieben. Zwar wurde er früh mit Zuschreibungen wie "Präzisionslyriker", der "Weitwinkelgedichte" schreibe, versehen, doch seit seinen Anfängen - und obwohl er sich in den 1970er-Jahren kritisch mit dem Sozialismus, nicht nur in seinem Heimatland, auseinandersetzte, - lag er immer quer zum Zeitgeist."
"Salzburger Nachrichten":
"Tomas Tranströmer ist der seltene Fall eines Lyrikers, der es in seiner Heimat Schweden zu Bestsellerehren bringt. (...) Die Welt zeigt sich für Tranströmer als eine geheimnisvolle, in der ein Geist waltet, dem auf die Schliche zu kommen die Vernunft allein nicht ausreicht. Das brachte ihm schon 1966, bei Erscheinen des Bandes 'Klänge und Spuren', den Vorwurf ein, dass er sich um die Belange des Tages drücke und einer metaphysischen Auffassung der Wirklichkeit anhänge. Beeindrucken ließ er sich davon nicht. (...) Den
Nobelpreis bekommt heuer einer, der für sich höchste geistige Freiheit in Anspruch nimmt."
"Österreich":
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Nobelpreis für Unbekannten"
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