Ein "Pinocchio" für die Kinder von heute: Mehr als nur ein kleines Püppchen

Manchmal, sagt die Amsel gegen Ende, steht in den Märchen auch viel Blödsinn. Es ist ja auch wahr.
Wie es anders, heutig, simpel und poetisch gehen kann, ohne dass es Kinder vor die Frage stellt, was das alles jetzt schon wieder soll, und den begleitenden Eltern die Zehennägel aufstellt, das zeigen die Festwochen mit, ausgerechnet, „Pinocchio“ im Volkstheater.
Die Holzfigur ist hier weder kleines Püppchen noch freches Bübchen noch Moralisierungsvorlage (Lügen haben lange Nasen!). Sondern ein verlorenes Naturwesen, das die verwirrende Zivilisationswelt mit Kinderaugen anschaut und auf die vielen komplizierten Fragen der Menschwerdung mit Liebe und Fürsorge antwortet.
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Eine Wohltat mit Video, unverkrampft heutiger Sprache und vielen schönen Bildern, und am Schluss tanzt das Kind euphorisch in den Sitzreihen.
Pinocchio wird gegen seinen Willen dem Wald entrissen, er war ein Baum.

Und die Naturbilder durchziehen die 70 Minuten der vom Kollektiv Moved By Motion rund um Performancekünstlerin Wu Tsang ursprünglich fürs Zürcher Schauspielhaus aufgefrischten Version der berühmten Collodi-Geschichte.
Es gibt eine wunderbar verhuschte Achtsamkeitsschnecke (Deborah Macauley), eine Fee mit – jetzt müssen die Eltern kurz ganz stark sein! – blauem Schnauzbart (Josh Johnson) und kein staubiges Moralisieren rund um Lügen und lange Nasen.
Stattdessen sieht man ein Märchen mit Fragen, die sich Kinder stellen, mit Hip-Hop und Traurigkeit, mit weniger von der Bedrohlichkeit, die das Original hat, und mehr Humor.
Die Schnecke und die Amsel (Kay Kysela) begleiten den Holzbuben auf seiner Reise, bühnenhohe Videos helfen zu erzählen, etwa wenn Pinocchio aus dem Himmel stürzt, um Gepetto zu sagen, dass er ihn lieb hat. So, genau so, hätte man als Kind gern diese Geschichte kennengelernt.
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