Ein musikalisches Feuerwerk, komödiantisch überdreht

von Helmut Christian Mayer
Er ist ein Tagträumer, der sich im Hollywood-Ambiente der 1930er-Jahre gerne in alte Filme flüchtet. Und er ist omnipräsent. Er holt nicht nur die Figuren aus den im Hintergrund gezeigten Filmen heraus und lässt sie lebendig werden, sondern er beeinflusst immer wieder die Handlung und die Protagonisten von Gioachino Rossinis „Il barbiere di Siviglia“, einem Klassiker der Opera-Buffo-Genres, bei den Salzburger Pfingstfestspiele im Haus für Mozart.
Arturo Brachetti verkörpert diesen vom Regisseur erfundenen, stummen Verwandlungskünstler. Rund um diese Rahmenhandlung zeigt der komik-affine Rolando Villazón in seiner Inszenierung ein vielschichtiges und intelligentes Feuerwerk an unterhaltsamen Gags, Symbolen und unerschöpflichen Ideen, deren es allerdings manchmal zu viel wird und die teils zu sehr ins Klamaukhafte abgleiten.
Rasanz ohne Stillstand
Da bevölkern Frankenstein, Nosferatu, Zorro, Westernhelden, Römer, Kosaken, Samurai mit Anspielungen auf unzählige Filmklassiker die Bühne. Immer ist unglaubliche Rasanz ohne Stillstand angesagt in herein- und hinausgeschobenen Filmkulissen von Häuserfronten und Versatzstücken (Harald B. Thor), in fantasievollen, teils abenteuerlichen Kostümen (Brigitte Reiffenstuhl). Das Tempo kulminiert am Ende des ersten Aktes so stark, dass einer buchstäblich den Stecker ziehen muss, damit der Stillstand eintritt.
Dass alles so funktioniert, dafür sorgt ein extrem spielfreudiges Ensemble: Allen voran ist Nicola Alaimo ein idealer Figaro. Buffonesk, mit unglaublicher Präsenz, dem nötigen Augenzwinkern und stimmlich in Topform.
Er erscheint auf einem winzigen Tretroller mit Luftballonen, bleibt zum Gaudium des Publikums wegen seiner Körperfülle in einem Armsessel stecken, feilt während Rosinas Koloraturen im Takt ihre Nägel.

Perfekte Koloraturen
„Una voce poco fa“: Nicht nur mit ihrer Parade-Kavatine, die sie bezeichnenderweise schaukelnd in einem riesigen Vogelkäfig singt, vermag die künstlerische Leiterin des Pfingstfestivals Cecilia Bartoli ein wahres Feuerwerk an perfekten Koloraturen zu zünden. Ihre Rosina, mit der sie vor 35 Jahren debütierte, singt sie mit wunderbarer Flexibilität, ihrer ganz eigenen Technik, tiefem Ausdruck und setzt auch noch etliche, rasante Verzierungen hinzu.
Nach anfänglich kleinen Koloraturunsicherheiten gibt Edgardo Rocha einen sehr flexiblen, höhensicheren Almaviva, ergreifend bei den Lyrismen und am Schluss schon wieder mit einer anderen Dame ungeniert flirtend. Alessandro Corbelli ist ein stimmgewaltiger und witziger Bartolo. Mit mächtigem Bass und starker Präsenz vernimmt man Ildebrando D’Arcangelo als Basilio, köstlich als Nosferatu agierend.
Tadellos singen Rebeca Olvera (Berta) und José Coca Loza (Fiorillo). Homogen und spielfreudig agiert der Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh). Gianluca Capuano hat eine flotte und ausgereizte Lesart der Partitur, die von den der historischen Aufführungspraxis verpflichteten Les Musiciens du Prince-Monaco spritzig musiziert wird. Nicht nur bei den Rezitativen nimmt man sich dabei einige musikalische Freiheiten mit Zitaten aus Filmen und dem Jazz heraus. Stehende Ovationen und viele Lacher beim Publikum.
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