Ein liebevoll zum Leben erwecktes, altes Bilderbuch

Ein Ballett, das gute Laune macht: Die Wiederaufnahme des 2007 bislang zum letzten Mal an der Wiener Staatsoper gezeigten "La Fille mal gardée" ist geglückt. Dabei ist der Stoff aus dem 18. Jahrhundert um das von ihrer Mutter schlecht behütete Mädchen Lise, die am Ende ihren Favoriten heiraten darf, heute längst nicht mehr aktuell.
Doch die humorvolle, stilistisch von Frederick Ashton 1960 sanft auf das tänzerische Niveau der Gegenwart gehobene Fassung, die Malin Thoors für das Wiener Staatsballett im November neu einstudierte, hat Charme und wirkt wie ein von den Tänzerinnen und Tänzern des Wiener Staatsballetts liebevoll zum Leben erwecktes, altes Bilderbuch.
Ironische Seitenblicke
Nicht nur Ashtons Choreografie hat das 1789 uraufgeführte Ballett von Jean Dauberval bis in 21. Jahrhundert geführt. Neben Osbert Lancasters Ausstattung mit ironischen Seitenblicken auf die Gesellschaft, wenn in der Porträtgalerie der reichen Bäuerin plötzlich ein Schaf, ein Fisch und eine Kuh mitten unter den Ahnen auftauchen, hat John Lanchberys musikalische Fassung der Ballett-Komposition Ferdinand Hérolds mit Reminszenzen von Beethoven bis Rossini großen Anteil am Erfolg, von Paul Connelly am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper luftig und spritzig dirigiert.
Ashton hat neben abwechslungsreichen, zum Teil von Volkstänzen inspirierten Szenen für das Corps des ballet wunderbare Hauptrollen geschaffen. Allen voran Witwe Simone, Mutter der Protagonistin, die traditionell von einem Mann getanzt wird. Eno Peci erwies sich bei seinem Rollendebüt am Freitag als begabter Komödiant. Sein Holzschuhtanz gerät zu einem der Höhepunkte des Balletts.
Tempo und Freiräume
Als Lise, ihre Tochter, sorgt Maria Yakovleva dafür, dass Witwe Simone tatsächlich außer Atem kommt, will sie dem Tempo ihrer stets auf Freiräume bedachten Tochter folgen. Mihail Sosnovschi gibt Lises zukünftigen Mann Colas, besticht wir Yakovleva auch in einigen Soli und meistert in den Pas de deux sogar einarmige Hebungen. Gemeinsam gelingen auch in die Choreografie eingebundene Muster perfekt, die mit Stoffbändern gebildet werden.
Lustiger Gockel
Richard Szabó, neben Peci zweiter Rollendebütant, ist als Alain, der Sohn des Weinbauern Thomas, ein liebenswerter Tolpatsch, der sich vergeblich um Lise bemüht. Witwe Simone und sein wohl ebenso alleinstehender Vater (Gabor Oberegger) wollen die Liaison ihrer Kinder fördern und finden dabei fast zueinander.
Marian Furnica bringt als eingebildeter Gockel, der seine vier Hennen bezirzt, zusätzlichen Witz in diese für jung und alt konzipierte Bilderbuch-Landidylle auf der Staatsopernbühne.
Text: Silvia Kargl
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