Tatsächlich liefert der Geistliche auf der Website der Dompfarre auch spirituelle Erklärungen für die Wahl des Motivs: Der Zunge werde in der österlichen Bußzeit weniger geboten, so dass sie sich erholen oder mit noch größerer Freude auf den österlichen Geschmackstsunami freuen kann", heißt es da. "Und selbst das Sprechen kann vom Ballast des Überflüssigen befreit werden, damit die Wortdiarrhoe kuriert wird. Dem Un- und Übermaß wird die Zunge gezeigt."
De-Monstranz
Allerdings kombinierte Loitzl das Fastentuch mit einer weiteren Arbeit, die mediale Beachtung fand - und damit wohl erst den Empörungsfunken zündete: Am vergangenen Samstag hielt sie eine "feministische Kunstprozession" ab, in der sie etwa das Priesteramt für Frauen forderte und weitere Kirchenkritik per Megafon in die Klagenfurter Innenstadt hinausposaunte. Die Prozession nahm ihren Ausgang im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK), wo in einer nicht mehr sakral genutzten Barockkapelle eine weitere Installation Loitzls zu sehen ist: "Monstramus - wir zeigen" (bis 28. 5.)
Das große, zentrale Objekt und mehrere flankierenden Stoffskulpturen ahmen die Form einer Vulva nach - wobei, wie Loitzl im KURIER-Gespräch erklärt, dies nur eine von mehreren Deutungen ist: "Es ist auch eine Monstranz, eine Gloriole und eine Mandorla", sagt sie mit Verweis auf sakrale Kunst. In der Monstranz wird zu Fronleichnam die Hostie umhergetragen, die "Mandorla" (Mandelform) ist oberhalb von Kirchenportalen der Romanik und Gotik zu sehen und bildet den Rahmen für die Darstellung des triumphierenden Christus.
Schweigen und Schämen
Im Kontext von Weiblichkeit seien die Formen aber nie geduldet worden, sagt Loitzl. "Ich habe also zwei körperliche Textilobjekte, die mit Scham und Verstecken zu tun haben, extrahiert und groß gemacht – das verbindet sie“, erklärt die Künstlerin.
In der feministischen Kunstgeschichte hat sie damit zahlreiche Vorläuferinnen - die US-Künstlerin Judy Chicago veranstaltete etwa 1974-1979 ihr legendäre "Dinner Party", ein feministisches Abendmahl, deren Teilnehmerinnen an einem Tisch mit aufwändig gestickten Tüchern in Dreiecksform Platz nahmen. Auch bei Loitzl ist es ein bewusstes Statement, dass ihre Textilobjekte in mühsamer Handarbeit entstanden - in der Kirche werde noch immer zu viel unbedankte Arbeit von Frauen verrichtet, findet sie.
Die fromme Initiatorin der Petition sieht freilich eine "Herabwürdigung religiöser Lehren" in der Aktion. Möglicherweise wird sich die Erregung aber bis zur Osterjause aber auch wieder legen. Dann gibt es Zunge am Festtagstisch.
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