Ein Fastentuch im Klagenfurter Dom zeigt die Zunge - und regt auf

Ein Fastentuch im Klagenfurter Dom zeigt die Zunge - und regt auf
Künstlerin Ina Loitzl kreuzt sakrale Elemente mit Körperformen - und erntet damit Zuspruch, aber auch Ablehnung

Normalerweise haben Kärntner Katholiken zur Osterzeit kein Problem mit abgeschnittenen, blutroten Zungen: Die geräucherte Rindszunge ist, neben Reindling und Schinken, Bestandteil der traditionellen Osterjause in der Region. Zur "Fleischweihe" - einer der bestbesuchten Veranstaltungen des Kirchenjahres" - werden diese Fleischteile auch in großer Zahl in die Kirchen geschleppt. Sie sind dann allerdings meist unter einem verzierten Häkeldeckerl verborgen.

Nun aber hängt eine große rote Zunge vor dem Hochaltar des Klagenfurter Doms. Das Fastentuch ist eine Arbeit der aus Klagenfurt stammenden, in Wien lebenden Künstlerin Ina Loitzl, die sich häufig Elemente der Volkskultur zu eigen macht - nicht zuletzt, um damit feministische Anliegen zu formulieren.

Damit eckt sie nun an: Eine Petition fordert die Abnahme des Fastentuchs, das als "abstoßend und mit der Ehrwürdigkeit eines Sakralraumes unvereinbar empfunden" wird. Am Donnerstagmittag hatten mehr als 760 Personen die Petition unterschrieben. Dompfarrer Peter Allmaier hielt aber gegenüber der Kleinen Zeitung daran fest, das Tuch bis Karfreitag hängen zu lassen.

Ein Fastentuch im Klagenfurter Dom zeigt die Zunge - und regt auf

Tatsächlich liefert der Geistliche auf der Website der Dompfarre auch spirituelle Erklärungen für die Wahl des Motivs: Der Zunge werde in der österlichen Bußzeit weniger geboten, so dass sie sich erholen oder mit noch größerer Freude auf den österlichen Geschmackstsunami freuen kann", heißt es da. "Und selbst das Sprechen kann vom Ballast des Überflüssigen befreit werden, damit die Wortdiarrhoe kuriert wird. Dem Un- und Übermaß wird die Zunge gezeigt."

De-Monstranz

Allerdings kombinierte Loitzl das Fastentuch mit einer weiteren Arbeit, die mediale Beachtung fand - und damit wohl erst den Empörungsfunken zündete: Am vergangenen Samstag hielt sie eine "feministische Kunstprozession" ab, in der sie etwa das Priesteramt für Frauen forderte und weitere Kirchenkritik per Megafon in die Klagenfurter Innenstadt hinausposaunte. Die Prozession nahm ihren Ausgang im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK), wo in einer nicht mehr sakral genutzten Barockkapelle eine weitere Installation Loitzls zu sehen ist: "Monstramus - wir zeigen" (bis 28. 5.)

Ein Fastentuch im Klagenfurter Dom zeigt die Zunge - und regt auf

Das große, zentrale Objekt und mehrere flankierenden Stoffskulpturen ahmen die Form einer Vulva nach - wobei, wie Loitzl im KURIER-Gespräch erklärt, dies nur eine von mehreren Deutungen ist: "Es ist auch eine Monstranz, eine Gloriole und eine Mandorla", sagt sie mit Verweis auf sakrale Kunst. In der Monstranz wird zu Fronleichnam die Hostie umhergetragen, die "Mandorla" (Mandelform) ist oberhalb von Kirchenportalen der Romanik und Gotik zu sehen und bildet den Rahmen für die Darstellung des triumphierenden Christus.

Schweigen und Schämen

Im Kontext von Weiblichkeit seien die Formen aber nie geduldet worden, sagt Loitzl. "Ich habe also zwei körperliche Textilobjekte, die mit Scham und Verstecken zu tun haben, extrahiert und groß gemacht – das verbindet sie“, erklärt die Künstlerin.

In der feministischen Kunstgeschichte hat sie damit zahlreiche Vorläuferinnen - die US-Künstlerin Judy Chicago veranstaltete etwa 1974-1979 ihr legendäre "Dinner Party", ein feministisches Abendmahl, deren Teilnehmerinnen an einem Tisch mit aufwändig gestickten Tüchern in Dreiecksform Platz nahmen. Auch bei Loitzl ist es ein bewusstes Statement, dass ihre Textilobjekte in mühsamer Handarbeit entstanden - in der Kirche werde noch immer zu viel unbedankte Arbeit von Frauen verrichtet, findet sie.

Die fromme Initiatorin der Petition sieht freilich eine "Herabwürdigung religiöser Lehren" in der Aktion. Möglicherweise wird sich die Erregung aber bis zur Osterjause aber auch wieder legen. Dann gibt es Zunge am Festtagstisch.

 

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