documenta: Kasseler Bürgermeister weist Antisemitismusvorwürfe zurück

Das Künstlerkollektiv Ruangrupa.
Der Stadtchef, der auch der documenta-Trägergesellschaft vorsteht, spricht von "nicht sachlich vom Zaun gebrochener Debatte".

Der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle hat als Aufsichtsratsvorsitzender der documenta gGmbH Antisemitismusvorwürfe gegen die kuratierende Künstlergruppe zurückgewiesen. Mit dem indonesischen Künstlerkollektiv ruangrupa kuratieren 2022 zum ersten Mal Vertreter aus Asien die documenta, die auch die Perspektive des globalen Südens berücksichtigen und dabei unter anderem Machtverhältnisse hinterfragen.

Man sei sich einig, dass es in der Arbeit der Künstlergruppe nicht zur Überschreitung roter Linien kommen dürfe, teilte Geselle (SPD) mit. Das "Bündnis gegen Antisemitismus Kassel" hatte dem Künstlerkollektiv vorgeworfen, dass auf der kommenden documenta auch Organisationen eingebunden seien, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien. So ging es etwa um ein palästinensisches Kollektiv namens "The Question of Funding", das sich vorab im Garten eines "Khalil al-Sakakini-Kulturzentrums" in Ramallah fotografieren hatte lassen. Dieser Khalil al-Sakakini wiederum sei ein nationalist gewesen, der mit nationalsozialistischem Gedankengut sympathisiert habe.

Um drei Ecken

Ein Journalist der "ZEIT" griff die Vorwürfe auf. Mehrere Experten beschrieben diese Kritik daraufhin als übertrieben oder unbegründet. "Ja, der Mann war Antizionist und propagierte auch Gewalt in der Kampf gegen die Gründung des Staates Israel. Aber er ist nicht selbst zur Documenta eingeladen, er ist tot", schrieb etwa Elke Buhr, Chefredakteurin des Kunstmagazins Monopol. "Er wird noch nicht mal mehr im Namen des Kollektivs erwähnt, das auf die Documenta eingeladen wurde. Dieses Kollektiv nutzt einfach die Strukturen des Kulturzentrums, das nach ihm heißt. Will man sich wirklich an so etwas hochziehen? Auch in Kassel wohnen bis heute Menschen in Straßen, die nach Antisemiten und Kolonialverbrechern benannt wurden."

Oberbürgermeister Geselle betonte, ruangrupa habe sich deutlich gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, gewaltbereiten religiösen Fundamentalismus sowie jede Art von Diskriminierung positioniert.

Eine Überprüfung oder gar einen Eingriff in die künstlerische Freiheit dürfe es nicht geben; wenn überhaupt nur bei Überschreitung der oben beschriebenen roten Linien, betonte Geselle. „Die hat es hier aus meiner Sicht bislang nicht gegeben, was auch von renommierten Dritten in dieser nicht sachlich vom Zaun gebrochenen und aufgeheizten Debatte geteilt wird“. Die 15. documenta findet vom 18. Juni bis 25. September 2022 statt.

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