Der Gartenpavillon des Stifts Melk ist ein besonderer Ort, „abgehoben“ im positiven Sinn: In dem lichtdurchfluteten Raum, mit barocken Vorstellungen von exotischen Weltgegenden ausgemalt, lässt sich Abstand gewinnen, durchatmen – zur Regeneration war er ursprünglich auch gedacht.
Nun bevölkern ihn Skulpturen, archaisch anmutend, für Eingeweihte aber rasch als Werke der Philosophin und Bildhauerin Elisabeth von Samsonow zu erkennen: Sie wurde vom Verein „Globart“ zu einem künstlerischen Statement eingeladen, flankierend zu den „Tagen der Transformation“, die heute und morgen im Stift stattfinden. Die heurige Ausgabe des Symposiums, das der Verein mit Beteiligung prominenter Rednerinnen und Redner sowie zahlreicher Entscheidungsträger im Publikum ausrichtet, macht die Dringlichkeit des Umdenkens angesichts globaler Krisen zum Thema.
Mutter ist die Beste
Samsonows Ansichten, die im Diskussionsprogramm etwa auf jene des Star-Ökonomen Jeffrey Sachs treffen werden, sind dabei durchaus radikal: Die Denkerin, die sich selbst als „Ökofeministin“ bezeichnet, möchte die Wirtschaft an gänzlich anderen Kriterien als den gegenwärtigen ausgerichtet sehen und arbeitet an der Etablierung des Matriarchats.
Wobei, das entnimmt man einem im Ausstellungsraum abgespielten Video, damit nicht die Herrschaft der Mütter über Männer gemeint ist, sondern überhaupt keine Herrschaft: „Ich möchte den Menschen in den Mittelpunkt stellen“, sagt sie.
Auf künstlerischer Ebene äußert sich Samsonows Denkansatz in der Arbeit mit prähistorischen weiblichen Kult-Figuren. Konkret sind es sogenannte Kykladen-Idole – Kleinskulpturen aus der Jungsteinzeit und Bronzezeit, die vor 100 Jahren Pioniere der modernen Kunst wie Constantin Brancuşi mit ihrer formalen Klarheit inspirierten. Samsonow stellt dazu die Überlegung an, dass die – als Mädchen gedeuteten – Figuren einst als Währung gedient haben könnten. Im übertragenen Sinn lässt sie sie zum Maßstab der Wirtschaft werden: „Der lebende Körper ist die höchste Werteinheit“, sagt sie. Und verweist darauf, dass Reproduktion, Fürsorge oder Pflege gegenwärtig oft als selbstverständlich gelte und nicht als Wert bemessen würde.
Die Gesundheit des Bodens – skulptural durch eine riesige geschnitzte Ähre symbolisiert – ist ein weiterer ökonomischer Wert, auf den Samsonow fokussiert.
Bodenständig
„Abgehoben“ ist das nur auf den ersten Blick – tatsächlich hat die langjährige Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien ihre Standpunkte nicht nur theoretisch fundiert, sondern auch für die Praxis fruchtbar gemacht.
Auf vier Hektar Land, das Samsonow mit Mitstreiterinnen nahe ihrem Wohnort bei Hadres im Weinviertel kaufte, soll das neue Wirtschaften exemplarisch vorgelebt und besprochen werden. Samsonow pflegt dort bestes Einvernehmen mit lokalen Jägern und Bauern, denen die Aufwertung ihrer Lebensgrundlagen ein Anliegen ist: „Für mich ist das eine revolutionäre Kaste!“, sagt sie.
Dass ihre künstlerische Sprache – mit Kultfiguren, Performance-Ritualen und dem Verweis auf „Göttinnen“ – mitunter recht schräg daherkommt und ihr teilweise den Ruf einer „Esoterikerin“ eingebracht hat, weiß Samsonow selbst am besten. „Das ist ja echt dreist, einer Philosophin so was anzuhängen!“ sagt sie. „Ich bin eigentlich ein unkultischer Mensch.“
So manche Aktion sei in ihrer Schrillheit auch ganz bewusst als Parodie angelegt: „Das ist die erhabenste Form des Zeigens. Es ist doch das Beste, wenn man etwas sagt, und alle lachen.“
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