Schon gleich zu Beginn tanzen die Brüste. Also buchstäblich. Nicht so elegant, wie man sich das vorstellt, wenn man an Burlesque-Tanz denkt und die dazugehörigen wirbelnden Quasteln. In „The Booby Dance“ stecken zwei Frauen in zwei übergroßen Brust-Kostümen und tanzen in einer etwas unbeholfenen Revue-Choreografie. Multimediakünstlerin Trulee Hall kritisiert in diesem Video mit Witz die Objektifizierung des Busens beziehungsweise des weiblichen Körpers. Die ist naturgemäß eines der Hauptthemen in der neuen Ausstellung „Darker, Lighter, Puffy, Flat“ in der Kunsthalle Wien, die sich um den Busen dreht.
Ein Objekt war der Busen freilich immer, selbst als die Kunst ihn noch nur im religiösen Kontext gezeigt hat. Der weibliche Körper „als Rohstoff“ und die Brust als das Körperteil, das alle entsprechenden Projektionen bündelt, das war die Ausgangsthese für Kuratorin Laura Amann. Die Themen Mutterschaft, Sexualität, Erotik, Krankheit und Provokation werden in Arbeiten von 30 Künstlerinnen und Künstlern aufgegriffen. Dabei fehlen absichtlich berühmte Werke, an die man als erstes denkt, wie VALIE EXPORTs „Tapp und Tastkino“. Von ihr ist ein weniger bekannter Film aus den 80ern, „Ein perfektes Paar oder die Unzucht wechselt ihre Haut“, zu sehen. Da wird die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers dargestellt – Brust streicheln ist teurer als Kniekehle schlecken.
Säugende Männerbrüste
Mit der Milch in der Brust beschäftigen sich einige Arbeiten: Lucia Dovičáková lässt in ihrem Gemälde „Milky Way“ drei Frauen ein barockes Muster in die Luft spritzen, Claudia Lomoschitz geht in ihrem Video „Lactans“ der Frage nach, wie sich die Milcherzeugung in der Mythologie niedergeschlagen hat. Sie hat da auch männliche Brüste, die Milch geben, gefunden, etwa beim sumerischen Gott Dumuzi.
Dem Wandel dessen, was anzublicken erlaubt ist, widmet sich ein Film mit dem Titel „When the towel drops“: Hier werden Ausschnitte aus Schwarzweiß-Filmen der 1950er gezeigt, die der Zensur zum Opfer fielen. Eine langsam entblößte Brustwarze, ein lasziv bewegtes Bein zu viel: Auf erklärenden Zetteln wird aufgelistet, was die italienische Behörde damals zu beanstanden hatte. Daneben holt die Hochglanzarbeit „Revue“ ein einst verbotenes, surrealistisches Prager Erotikmagazin der 1930er ins explizite Alles-erlaubt-Heute.
Wer sich schon von Oben-Ohne-Aktionismus im Freibad provoziert fühlt, den wird die Arbeit von Maja Smrekar nachhaltig erschüttern. Hier geht es um ein Tabuthema, das man aus der Mythologie zwar in die eine Richtung – Stichwort Romulus und Remus – kennt. Aber dass eine menschliche Frau einen Hundewelpen säugt, sieht man nicht so oft. In der Kunsthalle werden Srmekars Fotografien in einem kuscheligen Biedermeierzimmer mitsamt rosalila Brustpumpe im Vitrinenschrank inszeniert.
Ein Video von Andrea Eva Györi spielt mit den typischen Seh-Erwartungen – sie massiert ihre Brust wie in einschlägigen Filmen. Der Hintergrund ist aber ein ganz anderer: Es ist ein Abschiedsgespräch mit ihrem Busen, denn die Künstlerin hatte Brustkrebs und musste eine Mastektomie vornehmen lassen. Sie hat ihr Leben nicht gerettet. Das ist sicher das berührendste Exponat einer Schau, die zwar viele Aspekte beleuchtet, aber dem Zeitgeist von „Free The Nipple“ auf Instagram bis zur Kommerzialisierung der „Boobies“ als feministisches Accessoire seltsam wenig Raum gibt.
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