Die Kunst wacht auf und gebiert ungeheuer viel

Wenn in Wien schick gekleidete Menschen auf Baustellen herumstehen und die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg“ häufiger gestellt wird als sonst, ist das ein Zeichen dafür, dass die Kunstmessesaison beginnt.
Wobei die Sache mit der Baustelle kompliziert ist: Die „Parallel Vienna“, die lange Zeit den Charme leer stehender Gebäude gepachtet hatte, feiert heuer ihre zehnte Ausgabe – die ehemalige Semmelweis-Frauenklinik, wo sie zum zweiten und wohl letzten Mal gastiert, fühlt sich nun fast schon wie ihr Zuhause an. Die Messe „viennacontemporary“, organisatorisch eine Dauerbaustelle, nutzte im Vorjahr ein Zwischenquartier mit Baulärm, zieht heuer aber in den altehrwürdigen Kursalon im Stadtpark ein (Eröffnung Donnerstag).

Als Saison-Opener ist die „Parallel“, die ab heute Dienstag Gäste empfängt (bis 11. 9.), jedenfalls eine feine Sache, weil sich in ihr die Vielfalt des zeitgenössischen Felds offenbart. Saubere Präsentation und Werkstattcharakter wechseln einander ab, die Krankenhausräume werden von etablierten Galerien, Kunsthochschulen, Projekt-Gruppen und einzelnen geladenen Kunstschaffenden bespielt. Letztere kreieren mit der Umgestaltung ganzer Zimmer oft das Alleinstellungsmerkmal der „Parallel“.
Wobei die Location – mit ihren nahe liegenden Anknüpfungspunkten zu den Themen Geburt, dem weiblichen Körper oder der Medizin – nun weniger häufig als inhaltliche Vorlage genutzt wird als noch im Vorjahr. Was grundsätzlich ins Auge sticht, sind Versuche, Körperlichkeit und Materialität zu erfassen, dem Virtuellen etwas Taktiles entgegenzusetzen.

Körper, Farbe, Raum
Eduard Tauss tut dies in seinem Solo-Raum etwa mit abstrakten, farbigen Kunstharz-Massen, sein Kollege Arnold Reinisch spielt mit beweglichen Fragmenten, die wie aus Haut, Fleisch und Blut gemacht erscheinen. Marit Wolters verleiht mit Keramik-Steinen und Kunststoffen dem Anorganischen organische Qualität. Viele vertrauen auch schlicht auf die Kraft der Malerei (Sigrid Mau bei Gabriele Senn sticht hier hervor).
Schön gelungen ist auch jener Saal, der als persönliche Hommage an die im Jänner verstorbene Brigitte Kowanz von Parallel-Mastermind Stefan Bidner und Adrian Kowanz, dem Sohn der Künstlerin, gestaltet wurde: Weggefährten, Schülerinnen und Schüler sind hier durch ihre Werke im Dialog mit der Person, deren Geist – nicht zuletzt durch ihre Lehrtätigkeit – aber weiter anwesend ist. Dass Kunst als fortlaufendes Gespräch funktioniert – bloß oft jenseits des Verbalen –, lässt sich hier erspüren. Es ist ein wohltuendes Stimmengewirr, wie auf einer lebendigen Party.
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