Die ersten Wellen des Abschieds: "Rheingold" an der Staatsoper

von Susanne Zobl
Die erste Stimme erhob sich aus dem Publikum: „Bravo, Philippe Jordan!“, rief ein Zuschauer, als der scheidende Musikdirektor seinen Platz am Pult einnahm.
„41 Stunden Wagner“ wird Jordan von 22. Mai bis zum Ende der Saison dirigiert haben, wie auf seiner Homepage angegeben ist, die Vorstellungen der Neuproduktion von „Tannhäuser“ und zwei Serien der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“. Im Oktober wird Jordan beim Japan-Gastspiel der Staatsoper Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ dirigieren. 2027 wird er Chefdirigent des Orchestre National de France.
Doch zurück in die Gegenwart und zum „Rheingold“. Jordan baut die Spannung langsam auf, getragen wogen die ersten Wellen aus dem Graben, legen aber bald an Rasanz zu. Sein Fokus liegt auf Präzision. Jedes Motiv arbeitet er mit dem bestens disponierten Orchester akkurat heraus. Die Übergänge muten etwas kantig an, aber das passt zu seiner auf Transparenz und einen schlanken Orchesterklang ausgerichteten Lesart.
In den obersten Rängen der Götter herrscht noble Zurückhaltung. Iain Paterson zeigt Wotan wie den hinterlistigen Boss einer Gaunerbande. Die fehlende Fülle seiner Stimme gleicht er mit seiner Kunst zu gestalten aus. Monika Bohinec setzt als Fricka auf Eleganz.
Der Tenor Daniel Behle, der im Vorjahr bei Cecilia Bartolis Pfingstfestspielen in Mozarts „La Clemenza di Tito“ brillierte, hat sich seit dem letzten „Ring“ den Loge auf seine Art angeeignet. Er setzt auf eine lyrische Lesart. Die passt zum goldenen Timbre seiner Tenorstimme. Mit Eleganz intoniert er die gesanglichen Passagen und wirbelt mit seiner orange-roten Langhaarperücke leichtfüßig durchs Geschehen.
Der nächste kräftige vokale Lichtstrahl kommt von Mime in Gestalt von Michael Laurenz, der Alberichs Bruder nicht wie üblich keifen lässt. Jochen Schmeckenbechers Alberich ist ein echter Wüterich. Regina Hangler bewährt sich erneut mit ihrem hellen Timbre als Freia. Martin Häßler ist ein eleganter Donner. Dass ihm einmal sein Hammer entglitt, brachte ihn gesanglich nicht aus dem Konzept. Jörg Schneider ist ein Luxus-Froh. Das Terzett der Rheintöchter, Ileana Tonca, Isabel Signoret, Stephanie Maitland, ist harmonisch abgestimmt. Eine echte Entdeckung ist Anna Kissjudit. So aufregend hört man die Erda selten.
Ilja Kazakov und Kwangchul Youn ergänzen mehr als achtbar als Fasolt und Fafner. Sven-Eric Bechtolfs Regie funktioniert ungebrochen. Der Applaus wollte nicht enden.
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