In den Songs von „Baum“ geht die als Jasmin Stocker geborene Musikerin auf das Lebensgefühl ein, das sie sich mit 38 Jahren erarbeitet hat: „Abgesehen von der politischen Gesamtsituation, fühle ich mich in der Blüte meines Lebens“, erzählt sie im Interview mit dem KURIER. „Ich bin mit mir selbst im Reinen. Die extreme Angst vor dem Tod, die ich sehr lange hatte, ist weggegangen. Ich habe mich damit versöhnt, dass es irgendwann vorbei ist und das Leben ein Kommen und Gehen ist.“
Das thematisiert Mine im Titelsong „Baum“ und in dem der verstorbenen Mutter gewidmeten Lied „Staub“, während sie in „Stein“ auf ihre psychischen Probleme eingeht.
Selbsthass
„Ich hatte lange mit Depressionen und auch einer Art Selbsthass zu kämpfen“, erklärt sie. „Das habe ich durch Therapien jetzt unter Kontrolle. In dem Song geht es darum, dass man diese Gefühle besser annehmen kann, wenn man weiß, dass man nur ausharren muss. Dadurch, dass ich das so oft hatte, weiß ich, dass es wieder weggeht.“
Die Vielfalt, für die die Verästelungen der Baum-Metapher stehen, manifestieren sich auf dem Album in der musikalischen Bandbreite. Im Titeltrack legt Mine ihre klare Sopran-Stimme über einen Drum-and-Bass-Beat und schwebende Keyboard-Akkorde. Das ist aber nur ein kleiner Teil der musikalischen Bandbreite und der Genres, die die Wahlberlinerin mit diesem fünften Soloalbum abdeckt.
Es gibt Klavierballaden, klassische Orchestrierungen, melodiösen Singer/Songwriter-Pop – und gelegentlich spürt man, dass Mine eine Ausbildung zur Jazzsängerin hatte. Und das Intro von „Schattig“ hat sie mit dem Kieler Knabenchor aufgenommen, anderorts einen Männerchor eingesetzt.
„Ich höre zu Hause viel Klassik, aber eher aus den Epochen Romantik und Renaissance, Mozart mag ich nicht so gern. Jazz habe ich zwar studiert, den höre ich zu Hause aber nicht. Das habe ich nur studiert, weil es zu meiner Zeit kein Pop-Studium gab. “
Rap-Trio
Mine wuchs in einem Dorf in der Nähe von Stuttgart auf, liebte das Singen und hatte mit neun Jahren ein Raptrio, für das sie den Song „Zum Lernen keinen Bock“ geschrieben hat. Gerne lernte sie nur das Musikmachen, sie studierte klassisches Klavier, später Schlagzeug und neben Jazzgesang auch Komposition und das Produzieren.
Heute verwendet Mine viele Instrumente, die nicht zum gängigen Repertoire von Pop-Produktionen zählen. „Ich würde nicht sagen, dass ich ungewöhnliche Instrumente sammle, denn ich spiele sie alle. Ich würde mir keines kaufen, nur um es zu besitzen. Ich will aber immer wieder neue Sounds entdecken, weil ich schnell gelangweilt bin.“
Mut, all diese verschiedenen Einflüsse auf ein Album zu packen, sagt sie, hat es nicht gebraucht. Mine hat andere Musik-Jobs, produziert andere Künstler oder schreibt für sie Streicherarrangements. „Ich bin finanziell nicht vom Erfolg meiner Musik abhängig. Das gibt mir eine kreative Freiheit, die ich genieße.“
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