Filmkritik zu "Der Salzpfad": Ein obdachloses Ehepaar geht auf Wanderschaft

Umstrittene Bestsellerverfilmung: „Der Salzpfad“ mit Gillian Anderson und Jason Isaacs.
Von Gabriele Flossmann
Es gibt nichts Besseres als eine große, anspruchsvolle Wanderung, um sich selbst wiederzuentdecken. Das passt zum Lebensgefühl unserer Zeit. Wohl aus diesem Grund wurde der Reisebericht der Britin Raynor Winn über die Wanderung in ein neues Leben mit Zelt und Rucksack 2019 ein Bestseller. Mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren gehört „Der Salzpfad“ zu den erfolgreichsten britischen Sachbüchern der letzten Jahre.
Das Haus gepfändet, die gemeinsame Zukunft ungewiss: Raynor Winn und ihr Ehemann stehen nach mehr als 30 Jahren Ehe vor dem Nichts. Auf einer Wanderung entlang der Küste Südenglands schöpfen sie neue Hoffnung. Sie haben einen Sohn und eine Tochter großgezogen. Auf ihrer Farm in Wales durften Schafe und Hühner alt werden, und Urlauber aus der Stadt genossen bei ihnen das Landleben. Kein Wunder, dass die Kino-Adaption nicht lange auf sich warten ließ.
Gillian Anderson und Jason Isaacs spielen Raynor und Moth Winn, die ihre Farm aufgrund einer dubiosen Investition verlieren. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird bei Moth eine seltene degenerative neurologische Erkrankung diagnostiziert, die seine Bewegung, Sprache und Schluckfähigkeit beeinträchtigt. Nachdem das Dach über dem Kopf verloren ist und das Paar nur mit seinen wöchentlichen Invaliditätszahlungen auskommen muss, begeben sich Raynor und Moth auf eine 965 Kilometer lange Reise entlang des South West Coast Path von Somerset nach Dorset.
Der Film beginnt mitten in ihrer Wanderung an einem besonders schwierigen Punkt, als ihr Zelt während eines Sturms mit Meerwasser überflutet wird. Unterwegs sind sie mit Vorurteilen, Ablehnung und Geldsorgen konfrontiert. Trost und Inspiration finden sie in der Natur und in zufälligen Begegnungen. Auf der Wanderung entdecken sie ihre Liebe neu, entwickeln innere Stärke und legen den Grundstein für die Zukunft. Der Film führt uns dann zurück zum Ausgangspunkt ihrer Wanderung und enthüllt in Rückblenden ihren Hintergrund.
Die Informationen über die Investition und den anschließenden Gerichtsprozess sind zwar minimal, reichen aber aus, um ein Bild von der Vorgeschichte zu vermitteln.

Finden Heilung in der Natur: Gillian Anderson und Jason Isaacs in "Der Salzpfad"
Der Film ist mäandernd und etwas repetitiv, aber das ist eben so, wenn man mit der Kamera Menschen auf einer langen Wanderung begleitet. Denn zwischen der Langatmigkeit gibt es unterwegs immer wieder Abenteuer, Höhen und Tiefen und Begegnungen mit Fremden. Und die Bilder von den britischen Küstenlandschaften sind bisweilen so atemberaubend schön, dass man gerne physisch vor Ort wäre. Angetrieben von den beiden starken Darbietungen von Anderson und Isaacs könnte „Der Salzpfad“ ein schöner, lebensbejahender Film sein, der einen tief berühren kann. Könnte.
Wären da nicht umfangreiche Recherchen der britischen Zeitung The Observer, die ein völlig neues Licht auf die vermeintlich wahre Geschichte werfen. Laut The Observer heißt die Autorin in Wirklichkeit Sally Walker. Und die Witwe ihres ehemaligen Arbeitgebers behauptet nun, dass Walker in Wahrheit als Buchhalterin in der Immobilienfirma ihres Mannes etwa 64.000 Pfund (74.300 Euro) veruntreut habe und sich den Folgen der kriminellen Handlung durch ihre „Wanderung“ entzogen habe.
Ob der Kinostart durch die Betrugsvorwürfe gegen diese „autobiografische“ Geschichte beeinträchtigt wird, bleibt abzuwarten. Letztlich könnte man sich auch auf den Standpunkt stellen, dass im Kino sowieso meist „nur“ Illusionen geboten werden. Aber stellenweise fad bleibt der Film trotzdem – trotz der sehr guten Darsteller.
INFO: GB 2024. 115 Min. Von Marianne Elliott. Mit Gillian Anderson, Jason Isaacs.
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