Der Raum zwischen den Dingen, mit Holz und Harz gefüllt

Ein altes Kofferradio stürzt zu Boden und zerschellt. Dann: Eine Teekanne. Eine Blechschüssel. Eine Öllampe.
In dem Film, der dem Künstler Sudarshan Shetty als gedanklichen Ankerpunkt für seine aktuelle Ausstellung dient, steigert sich das Zerdeppern der Dinge zu einer musikalisch anmutenden Komposition: Die Objekte fallen wiederholt, nebeneinander, im Akkord. Doch irgendwann, steht außer Zweifel, sind sie kaputt. „Der einzige Weg, sie zu bewahren, ist, sie zu Kunstobjekten zu machen“, sagt der 64-jährige Künstler, der seit Langem als einer der wichtigsten zeitgenössischen Bildhauer Indiens gilt und seit über 17 Jahren auch von der Wiener Galerie Krinzinger vertreten wird.
„Future Remains“ (etwa: „Überbleibsel der Zukunft“) heißt Shettys stimmige Schau, die bis 12. März in den Räumen der Galerie in der Wiener Seilerstätte zu sehen ist und eine ganze Reihe von Überlegungen über Zeit, Dauer und das Verhältnis zwischen Ideen und Objekten auszulösen vermag.
Schattenobjekte
Anders als bei der sogenannten „Readymade“-Strategie, bei der Dinge des Alltags schlicht in die Sphäre der Kunst überführt werden und dadurch eine neue Aura und Bedeutung annehmen, kreiert Shetty etwas, das er „Schattenobjekte“ nennt: Gemeinsam mit einem kleinen Team fertigt der Künstler Nachbildungen von Objekten an, die er zunächst auf Flohmärkten in Mumbai zusammenkaufte.
Jene Objekte, deren Vorbilder in dem eingangs erwähnten Film zerstört werden, sind in der Galerieausstellung alle auf einem großen Tisch versammelt. Das Holz, aus dem sie geschnitzt sind, wurde ebenso „recycled“ und seines früheren Verwendungskontext gelöst, wie Shetty erklärt.

Abgenutzte Türen, mit einem geschnitzten Gerippe oder einem Herz versehen, bilden eine weitere Werkgruppe, die scheinbar Unzusammenhängendes in Beziehung setzt. Eine weitere Installation besteht aus einem Regal voller exakt nachgebildeter Schuhe und Tücher – eine Werkstätte, die er während der Covid-Pandemie verlassen vorfand, habe dafür als Vorbild gedient, sagt Shetty. Die gefundenen Objekte wurden aus einem Gemisch aus Kunstharz und Marmorstaub nachgebildet, was ihnen eine monumentale, dauerhafte Anmutung verleiht, die auf den zweiten Blick aber trügerisch ist.

Geht es nach Shetty, so soll die Verunsicherung – was ist edel und unedel, was ist überflüssig, was ist Kunst – einen Denkraum öffnen. „Es gibt die indische Tradition der Doha-Poesie, was sich wörtlich als ,Zweizeiler’ übersetzen lässt“, erklärt Shetty dazu. „Oft entwirft dabei die erste Zeile ein Bild, dann kommt ein weiteres Bild, das nicht dazu passt – und man füllt den Raum mit seiner eigenen Erfahrung aus. Am Ende steht etwas, das größer ist als das Wort selbst.“ Ebenso verstehe er seine Bildhauerei: Sie ziele auf das, was zwischen den Zeilen gesagt wird.
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