Der Nobelpreisträger schrubbt alles Unnötige weg

Der Nobelpreisträger schrubbt alles Unnötige weg
Der Südafrikaner J. M. Coetzee setzt in "Die Schulzeit Jesu" das Philosophieren fort.

Wie schon im vorangegangenen Roman „Die Kindheit Jesu“ kommt Jesus nicht vor. Man kann während dieser Flüchtlingsgeschichte an ihn denken, aber wenn nicht – es wird für den südafrikanischen Nobelpreisträger J. M. Coetzee auszuhalten sein.
Es geht ihm ums Philosophieren. Es geht ihm darum, eine große Geschichte so lange zu schmirgeln, zu schrubben, bis fast alles Unnötige – um nicht zu sagen: überflüssiger „Spaß“ bzw. Schmutz –  abfällt.
Das ist das Wunderbare: Was von „Die Schulzeit Jesu“ zunächst zu hören ist, klingt eigentlich langweilig.
Aber halt nur „eigentlich“, denn 1.) hat es Coetzee geschrieben, 2.) handeln die übrig gebliebenen Dialoge – man merkt es kaum, so unaufdringlich wird es dargeboten – vom Wesentlichsten.
Von Familie.
Von Leidenschaft.
Vom Töten ...
 Übers Meer kam der sechsjährige David. Es gibt Interpretationen, er sei gestorben und im Totenreich gelandet. Das wollen wir nicht hoffen. Spanien passt besser. David hatte im  Chaos der Schiffsabfahrt seine Mutter verloren.

Ein anderer Passagier, Simón, nahm sich seiner an. Später wird Simón eine Frau fragen, ob sie Davids Mutter sein möchte. Inés will.
Nun arbeiten Frau und Mann auf einer Obstplantage. Für David suchen sie eine Schule.  Es gab schon Schwierigkeiten. Er ist klüger. Er ist so selbstsicher. Eigensinnig. Er fragt viel und lässt Antworten nicht immer gelten. David sucht sich. Vehement.
Er wird eine geheimnisvolle Tanzakademie besuchen, in der die Zahlen von den Sternen heruntergeholt werden. Dort fühlt er sich wohl, bis  die Ehefrau des Schuldirektors erwürgt wird.
Was in der Mathematik x und y bedeuten, wird David eher nicht erfahren; und auch beim Lesen ist es g’scheiter, nicht an Platon und an Johann Sebastian Bach zu denken. Auch Dostojewski muss jetzt nicht im Kopf sein. „Die Schulzeit Jesu“ beglückt am stärksten, nähert man sich der großen Fragen ganz naiv: Wie geht Leben?

 


J. M. Coetzee:
„Die
Schulzeit Jesu“
Übersetzt von Reinhild Böhnke.
Verlag
S. Fischer.
327 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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