Strauss und die Liebeserklärung
Beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker erklingt erstmals ein Werk von Richard Strauss – als Hommage des Orchesters an den Komponisten, der vor 150 Jahren geboren wurde. Mit keinem anderen großen Komponisten verband die Wiener Philharmoniker eine vergleichbar enge Beziehung wie mit ihrem Ehrenmitglied Richard Strauss. Die durch zahlreiche Dokumente belegte Freundschaft gipfelte darin, dass der Meister mit seiner Familie den 75. und 80. Geburtstag im Kreise der Philharmoniker in Wien feierte; und wenngleich er nach 1944 nicht mehr an ihrem Pult stand, blieb doch die Beziehung bis zu seinem Lebensende aufrecht – sein letzter Brief datiert vom 20. Juli 1949, also sieben Wochen vor seinem Tod.
Am 10. Jänner 1892 stand erstmals ein Werk von Richard Strauss auf dem Programm der Philharmoniker: Hans Richter, der legendäre Dirigent der Bayreuther Uraufführung von Richard Wagners „ Ring des Nibelungen“ und langjährige Abonnementdirigent der Wiener Philharmoniker, leitete die Wiedergabe von „Don Juan“. Der Erfolg war so überzeugend, dass umgehend weitere Werke folgten; gemessen an der schnell wachsenden Anzahl von Aufführungen Strauss’scher Tondichtungen dauerte es allerdings lange bis zum ersten persönlichen Zusammentreffen mit dem Meister – im Rahmen eines Salzburger Musikfestes dirigierte Strauss am 17. August 1906 zum ersten Mal die Wiener Philharmoniker.
Die Anfänge
Diese äußerst ehrenvolle Einladung war nicht nur Zeichen einer besonderen Wertschätzung, sondern vielmehr Ausdruck jener seit der ersten Begegnung bestehenden Freundschaft. „Ich ergreife die Gelegenheit, um Ihnen [...] herzlichst Dank zu sagen für Ihre große Opferwilligkeit, mit der Sie [...] sich dem Studium meiner Werke widmeten. Ich kann nur sagen: Es freut mich nicht bloß ungemein, mit Ihnen wieder vor die Oeffentlichkeit treten zu können, sondern es erfüllt mich vielmehr mit Stolz, meiner Vaterstadt meine Werke in einer, wie es ja durch die künstlerische Höhe der Wiener Philharmoniker bedingt ist, unerreichbaren glänzenden Wiedergabe vorführen zu können.“ Diese Ansprache anlässlich der letzten Probe für die „Strauss-Woche“ nahm viel von der berührenden Atmosphäre vorweg, welche die letzten Jahre der Zusammenarbeit prägte.
Diese verlief nicht immer so harmonisch: Von 1919 bis 1924 war Strauss als Direktor der Wiener Staatsoper Dienstvorgesetzter der Philharmoniker in ihrer Eigenschaft als Angehörige des Staatsopernorchesters, und während dieser Zeit kam es zu erheblichen, zumeist aus Alltagsproblemen resultierenden Spannungen.
Große Erfolge
Die künstlerischen Erfolge blieben davon unberührt: 1919 wurde „Die Frau ohne Schatten“ uraufgeführt, und im Sommer 1923 ging man auf eine mehrwöchige Tournee nach Südamerika, in deren Verlauf Strauss 34 Konzerte dirigierte. Das wiederhergestellte gute Einvernehmen ermutigte die Musiker zur Bitte um die Komposition einer Einzugsfanfare für den ersten Ball der Wiener Philharmoniker, welcher im März 1924 stattfand. Strauss entsprach diesem Wunsch, und das Werk erklingt bis heute alljährlich bei diesem Höhepunkt des Wiener Faschings.
Das Autograf wird im Historischen Archiv der Wiener Philharmoniker aufbewahrt, welches mehr als 400 Briefe des Komponisten, acht Skizzenbücher sowie etliche Skizzenblätter enthält. Eines dieser kostbaren Erinnerungsstücke ist einer besonders freundschaftlichen Geste des Meisters zu verdanken: Strauss überraschte die Musiker 1932 mit der letzten Seite der „Sinfonia domestica“, welche er eigens abgeschrieben und mit der Widmung versehen hatte:
„[...] den lieben Wiener Philharmonikern in Bewunderung und Dankbarkeit für viele Stunden schönsten künstlerischen Genusses“.
Anlässlich der Feier seines 80. Geburtstages dirigierte Strauss nicht nur ein Festkonzert, sondern mehrere Tonaufnahmen eigener Werke. Eine Komposition konnte er allerdings nicht mehr in Wien zur Aufführung bringen: „Ich werde, sobald sie gedruckt sind, die Metamorphosen für 23 Solostreicher Ihnen für die Bibliothek schicken als letzten Abschiedsgruß u. bedauere nur, daß ich sie nicht mehr von 23 ,Wienern‘ werde hören können.“
Strauss und Strauß
Die Musik der Strauß-Dynastie schätzte Richard Strauss ganz besonders. Johann Strauß etwa bezeichnete er als den „liebenswürdigsten Freudenspender“, und im „Rosenkavalier“ erwies er der einzigartigen Familie auf einzigartige Weise seine Reverenz: Das Thema des „Rosenkavalier“-Walzers ist dem „Dynamiden“-Walzer von Josef Strauß entnommen. Den Wiener Philharmonikern war es daher ein besonderes Anliegen, in ihrem heutigen Neujahrskonzert die „Dynamiden“ ebenso auf das Programm zu setzen wie erstmals auch ein Werk von Richard Strauss: Die „Mondscheinmusik“ aus seiner 1942 uraufgeführten Oper „Capriccio“ ist nur vordergründig die Schilderung eines Naturphänomens; inmitten eines Weltenbrandes und einer der schauerlichsten Diktaturen der Menschheitsgeschichte konzentrierte der führende Komponist seiner Zeit Wehmut, Resignation und (unerfüllte) Sehnsucht in einer unvergleichlichen orchestralen Transzendierung des Mondlichts, die Ausdruck jenes unsentimentalen Abschieds ist, der wenig später seine „Letzten Lieder“ verklärte.
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