Unter dem Po des Elefanten
Jonas Jonasson soll schockiert gewesen sein, als er den Film zum ersten Mal sah.
Er, der Autor des zugrunde liegenden Millionen-Bestsellers, habe sein Buch gar nicht wiederkannt. Erst nach dem dritten Versuch fand er die Verfilmung gut.
Angeblich.
Ja, ja, so ist das. Buch ist Buch, und Film ist Film. Mit einem Basketball spielt man auch nicht Fußball, und ein 100-Jähriger, der gerne Brücken sprengt, gehört auch nicht ins Altersheim. (Zumindest davon handeln beide: Buch & Film).
Jonas Jonasson, der mit "Die Analphabetin, die rechnen konnte" den nächsten Bestseller geschrieben hat, muss sich keine Sorgen machen. Auch das Filmdestillat seines Buches wurde bereits in 45 Länder verkauft.
Schlapfen
Es ist ein Roadmovie des dezenten Wahnsinns geworden, in dem schon mal abgetrennte Köpfe auf Kühlerhauben landen. Eine amüsante Krimikomödie, weniger Krimi als Komödie. An Forrest Gump erinnert es, nur dass Forrest Gump hier Allan Karlsson heißt. In dessen brauen Hausschlapfen steckt der schwedische Comedy-Star Robert Gustaffson. Der rutscht als rüstiger Rentner übers Fensterbrett und latscht dann großartig gleichgültig aus dem Altersheim raus und rein in die Welt. Sterben kann man schließlich überall.
Am Bahnhof wartet er auf den nächsten Bus. Da drückt ihm vor dem Klo ein rüder Rocker einen Koffer in die Hand, auf den er gefälligst aufpassen soll. Der rüde Rocker, er hat rabiaten Durchfall. Der Bus, kommt, der Rocker ist immer noch am Klo. Also nimmt der Alte den Koffer einfach mit und fährt damit fort. Bald wird er den Inhalt kennen: 50 Millionen Schwedische Kronen, also mehr als fünf Millionen Euro. Bald wird auch der zugehörige Verbrecher wieder auftauchen, denn selbstverständlich ist es Mafiageld.
... und schon landet der erste Gangster im Kühlraum. Tot. Unser 100-Jähriger wiederum genehmigt sich einen Schnaps und bekommt neue Mitstreiter.
Einen Elefanten z. B.
... und schon landet der nächste Gangster unter dem Popo des Elefanten.
Ein irrwitziges Krimikomödienkarussell zwischen Mafia, alten Herren und müden Polizisten beginnt. Zumindest für alle diejenigen, die das Buch nicht gelesen haben: Es ist wenig absehbar.
Atombombe
Auch die Vergangenheit des alten Schelms bereist der Film wie schon das Buch. Seine Liebe zur Sprengkraft hat Karlsson durch die Weltgeschichte irrlichtern lassen. Gegen Franco hat er Brücken gesprengt. Oppenheimer bei der Atombombe geholfen, mit Stalin Salzgurken gegessen. Und worum geht es bei dem allem? Um gute Unterhaltung. Übung gelungen.
Info: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand. S 2013. 115 Min. Von Felix Herngren
KURIER-Wertung:
Wie Blut ergießt sich rot eingefärbtes Trinkwasser aus den Brunnen von Syrien. Versteckte Botschaften auf Geldscheinen wechseln die Hände im Iran. Eine unbewaffnete Aktivistin von Femen stürzt sich auf Präsident Putin, als er gerade die Hand von Angela Merkel schüttelt.
Alles Formen des zivilen Widerstands, die weltweit gegen die Herrschaft von Despotismus und die Vorherrschaft des Finanzkapitals eingesetzt werden.
Denn wissenschaftliche Studien haben bewiesen: Gewaltfreier Widerstand ist doppelt so effektiv wie der Einsatz von Gewalt. Mit dieser Arbeitshypothese als Grundlage, sammelten die beiden österreichisch-iranischen Filmemacher Arash und Arman Riahi globale Impressionen von gewaltfreien Widerstandsbewegungen und verwebten sie zu einer euphorischen Montage über menschliche Widerstandsfantasien und -strategien.
Nicht Polit-Analyse, sondern poetischer Agit-Prop befeuert dieses stilbewusste, manchmal vielleicht einen Hauch zu geschmeidige, immer aber mitreißende Doku-Manifest.
Info: Doku. Everyday Rebellion. D/Ö/USA/etc. 2013. 118 Min. Von Arash und Arman Riahi. Mit Erica Chenoweth.
KURIER-Wertung:
Doku.Der Cerro Torre in Patagonien ist ein bizarrer Berg. Die Nadel aus Granit. Sehr steil, sehr gefährlich. Der junge Österreicher David Lama, Wunderkind der Kletterszene, wollte ihn als erster ohne technische Hilfsmittel bezwingen. Die von Red Bull finanzierte Doku begleitet ihn dabei beim Scheitern und Nicht-Aufgeben und löste in Bergsteigerkreisen nebenbei einen Skandal aus: Wegen Haken, die nur für den Film in den Berg geschlagen wurden.
Tanzfilm. Breakdance im Heustadl: Barbara Gräftners Liebes- und Tanzfilm versteht sich als trashiges " Dirty Dancing" am Bauernhof und ist damit einzigartig in der österreichischen Filmszene. Jungbauer Markus versucht, seine Frauenprobleme, die unsichere Zukunft des Hofes und den Tod seines Bruders wegzutanzen. Lukas Plöchl und Larissa Marolt machen in Nebenrollen mit. Letztere ganze vier Minuten lang.
Kriegsfilm. Vier Navy Soldaten, hunderte Taliban, ein Berg: Die Verfilmung der desaströsen Operation Red Wings sollte ein Denkmal für drei in Afghanistan gefallene US-Elitesoldaten werden und wurde es leider auch. Unreflektierter Kriegsfilm für Militär-Junkies und Fans von Mark Wahlberg.
Essayfilm. Feuerwehrauto, Fußballtrikots, Regen auf einer Scheibe. Ruth Beckermann reiste durch Europa und sammelte mit der Kamera assoziative Bilder und Szenen ein. Deren Zusammenhang ist die Filmemacherin selbst: Von der Erzählung der Flucht ihrer Mutter nach Palästina bis zur einer grellen FPÖ-Veranstaltung in Wien. Sehr persönlicher Essay-Film. >
Drama. "Juden kommen immer gut, und behinderte Juden zählen doppelt" : Eine ehrgeizige BWL-Studentin aus Berlin macht ein Sozialpraktikum in Israel, um für ihre Karriere den Lebenslauf aufzupeppen. Doch dann reißen jüdisch-deutsche Geschichte und Gegenwart (mit Lovestory) die Karrieristin doch noch persönlich mit. Film, der Aufklärungskitsch meiden will und dies fast schafft.
Kommentare