Immer noch Zopf

Ein Mann mit Zopf spielt auf einer Geige vor einem dunklen Hintergrund.
Der Geiger lebt Virtuosität und Vermarktung.

David Garrett brachte es selbst auf den Punkt: Er wünschte dem Publikum "viel Spaß", und darum geht es bei normalen Konzerten im Klassikbetrieb viel zu selten.

Um höchste Kunst, ja, um Emotion, um Höchstleistung. Aber selten um Spaß.

Anders bei Garrett, dem Geigenrebell. Dem T-Shirt-unterm-Anzug-Träger, dem Stiefel-nicht-Zuschnürer.

Dem Immer-noch-Zopf-Frisur-Inhaber (wo ist das eigentlich noch Rebellion?).

David Garrett also, der Mann zwischen den Welten. Ein herausragender Geiger, einstiges Wunderkind (man höre die alten Aufnahmen nach!), das auf Karriere getrimmt war – und davor letztlich gescheut hat. Das die letzten Zentimeter auf dem Weg zur Anerkennung des Business verweigert hat, jene letzten Zentimeter, die man als Musiker oft so teuer bezahlt: Mit totaler Aufopferung nämlich.

Wichtig

Nun, als Crossover-Pop-Geiger, versorgt er jenes Publikum mit Klassik, das sich die Konzerthäuser immer wünschen, das sogenannte "breite" Publikum nämlich. Garrett ist nun ein sogenanntes "Produkt", und zwar im Urteil einer Branche, die selbst laufend gut aussehende, vermarktbare Musiker-Produkte erschafft, aber nicht so recht dazu stehen kann.

David Garrett also, der leichte Zugang zu einer Musik, die für mehr Menschen wichtig ist, als in die Konzertsäle passen. Das alles klingt nach Marketingschmäh, hat aber eine Wahrheit, die sich beim Auftritt im Wiener Konzerthaus am Montagabend auf berührende Art zeigte.

Es ist ein Konzert ganz ohne Schwellenängste, man darf klatschen, wann man will, auch mitten in den Satz hinein. Man darf Handyfotos machen, man darf sicher sein, etwas wirklich Tolles zu hören. Das Interessante daran: Es stimmt ja auch, Garrett bietet sehr hohe Qualität in einem sehr freundlichen Gewand.

Diesmal ist er mit einem Paganini-Programm zu Gast gewesen, es gab Klassikhits von Mozart bis Bach als Virtuositätsvorlage für Garrett.

Und auch die Erklärung dazu, warum das jetzt toll ist: Garrett umkleidet sein ohnehin hervorragendes Spiel mit einer Superlativ-Erzählung, die sonst gerade noch im Pop-Business zu finden ist. Ich bin ein Star, lasst mich hier rein, ruft er in die Konzertsäle und Mehrzweckhallen.

Virtuos

Ein paar Scherze, ein paar Erklärungen (etwa eine etwas trockene Definition von " Virtuosität"), dazwischen viele Noten. Klassik, unverkrampft. Garrett lehnt sich weit aus dem Fenster – aber bleibt dabei im Erdgeschoß, wo ihn alle sehen können.

Anflüge von Popkonzertstimmung im Konzerthaus – und dann setzt Garrett doch wieder eine Grenze: Er nimmt, mitten in den "Vier Jahreszeiten", einer Besucherin das Handy ab, die ihm mit grell aufgedrehtem Handylicht direkt ins Gesicht gefilmt hat. Da ist der Spaß dann kurz vorbei, aber am Ende: Johlender Popkonzert-Applaus und eine berührende Bach-Zugabe.KURIER-Wertung:

Nächste Termine: Garrett kommt heuer noch mit einem Crossover-Programm nach Österreich: Am 1. 11. in die Wiener Stadthalle, am 31. 11. in die Innsbrucker Olympiahalle.

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