Aki-Kaurismäki-Filmschau: Wortkarge Antihelden in Pokerface-Komödien

Aki-Kaurismäki-Filmschau: Wortkarge Antihelden in Pokerface-Komödien
Das Kino des legendären finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki ist derzeit im Österreichischen Filmmuseum zu sehen.

Als Aki Kaurismäki auf der Berlinale von 2017 für sein poetisches Drama „Die andere Seite der Hoffnung“ nicht den Goldenen Bären gewann, sondern nur den Silbernen, war er so sauer, dass er nicht einmal auf die Bühne kam. Der Silberne Bär musste zu seinem Platz getragen werden, wo er ihn mit einem knappen „Danke“ in seiner Jacke verräumte. Aki Kaurismäki, der kettenrauchende Kult-Finne, fühlte sich zu Recht um die höchste Anerkennung für sein formschönes, komisch-lakonisches Spätwerk gebracht.

In „Die andere Seite der Hoffnung“ führt Kaurismäki ein heftiges Plädoyer für den Möglichkeitssinn des Kinos. Er braucht nicht viele Worte, um von Unglück oder vom Aufbruch eines seiner typischen Antihelden zu erzählen. Mit wenigen Sätzen, aber umso prägnanteren Bildern holt Kaurismäki, der sein Image des Trinkfesten („Ich folge dem Wodka“) ebenso kultiviert wie jenes des liebenswerten Humanisten, die Problemzonen unserer Gesellschaft ins Kino.

War es in seinem vorletztem Film, „ Le Havre“ (2011) ein Schuhputzer, der sich eines minderjährigen Afrikaners annahm, so spiegelt er in „Die andere Seite der Hoffnung“ die Kriegssituation im Nahen Osten, die uns, dem reichen Westen, so viele ungeliebte Flüchtlinge beschert. Kaurismäki erzählt in seinen für ihn typisch aufgeräumten Bildern, die er in herrliche Melodramenfarben der Fünfzigerjahre taucht und mit skurrilem Humor unterspickt. Unerschütterlich gelassen zeigt er eine Welt, die möglich wäre – eine Welt der kleinen Leute, die Humanismus größer schreiben als Profit.

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Verlierer-Typen

Der mittlerweile 61-jährige Aki Kaurismäki – gemeinsam mit seinem Bruder Mika seit den 80er Jahren das Aushängeschild des finnischen Kinos und für ein Fünftel des heimischen Outputs verantwortlich – stand immer auf der Seite des „kleinen Mannes“. Trotzdem sei „Proletarier“ nicht der richtige Begriff für die wortkargen Helden seiner Pokerface-Komödien, so der Regisseur: „Verlierer-Typen“ wäre zutreffender.

Einen, wie sie die kategorische Kati Outinen in „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (1990), dem Höhepunkt von Kaurismäkis sogenannter „Proletarier“-Trilogie, spielt. Outinen avancierte als rachebereite Fließbandarbeiterin mit ausdrucksarmem Grimm zu der weiblichen Ikone von Kaurismäkis minimalistischem Kino im Fifties-Vintage-Look. Denn Kaurismäki liebt (Fifties)-Rock, Jukeboxen und finnischen Tango. Einen wahren Hit landete er mit dem Roadmovie „Leningrad Cowboys Go America“ (1989) über eine – zuerst nur fiktive – sibirische Rockband, die nach New York aufbricht. Neben der Musik, machte vor allem ihr sonderliches Outfit die Leningrad Cowboys berühmt: Die Haare zu einer Nashorn-Tolle über der Stirn zugespitzt und mit nicht minder spitzigen Stiefeletten beschuht, rocken sich die Leningrad Cowboys durch die Lande. Ihr Manager Vladimir – Kaurismäkis kongenialer Dauerdarsteller Matti Pellonpää mit charakteristischem Hängebart – führt seinen eisgekühlten Biervorrat im Holzsarg mit. Dazu gibt’s Ein-Wort-Sätze, unterkühlten Humor – und Jim Jarmusch als Autoverkäufer.

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Auftragskiller

Nouvelle-Vague-Star Jean-Pierre Léaud wiederum verdankte Kaurismäki sein Comeback: In dessen erster Filmarbeit außerhalb Finnlands – „Vertrag mit meinem Killer“ (1990) – engagiert Léaud als lebensmüder Emigrant in Thatcher-London einen Auftragskiller, um seinem tristen Leben ein Ende zu setzen. Überflüssig zu erwähnen, dass er sich noch am selben Abend verliebt.

Er schreibe seine Drehbücher am Wochenende, oft nur in ein, zwei Tagen, behauptet Kaurismäki, in jedem Sinn des Wortes ein wahrhafter Auteur . Er fange realistisch an und ende im Melodrama: Das sei „grausam und komisch“.

Alexandra seibel

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