Der Schlagzeuger (exzellent: Dirk Rothbrust) tritt mit einem scheppernden Koffer auf, begeistert mit fulminanten Soli, dazwischen ein Streichorchester, das mit oft verzerrten symphonischen Sequenzen spielt.
Wien Modern gedachte einem Pionier der zeitgenössischen Musik
Das Konzert war längst programmiert, als Lothar Knessl, maßgeblicher Streiter für zeitgenössische Musik und neben Claudio Abbado und Hans Landesmann einer der Mitbegründer von Wien Modern, im August dieses Jahres im Alter von 95 Jahren aus dem Leben schied.
Daraus wurde „Lothar Knessl in memoriam“, das mit Chefdirigentin Marin Alsop am Pult ihres toll musizierenden ORF Radio-Symphonieorchesters Wien zum erhellenden Ausblick auf Neue Musik geriet.
Fulminant erhob sich bei „Star Washers“ der Mexikanerin Angélica Castelló ein faszinierendes Klangszenario mit Sogwirkung aus elektronisch eingespieltem Rauschen. Stimmen am Telefon, Sphärenklänge, die wie Grüße ans Weltall anmuteten und sich am Ende mit dem eingespielten Gesang von Barbara Hannigan vereinten.
Nach Milica Djordjevićs feiner Klangstudie dann der nächste Höhepunkt: „60 Auditory Scenes for Investigating Cocktail Party Deafness“ von Matthias Kranebitter. Geräusche aus dem Alltag verschmolzen mit Klängen eines Orchesters zu einem toll ausbalancierten musikalischen Dramolett mit echten Pointen.
Sara Glojnarić ließ mit „sugarcoatin #4“, einer gefälligen Verarbeitung von Pop- und Jazzmotiven, aufhorchen. Mirela Ivičević zog in expressiven Ausbrüchen vereint mit schwebenden Schönklängen effektvoll in ihren Bann.
Die nächste Generation: Dirigentin Elim Chan und Pianist Víkingur Ólafsson mit den Symphonikern
Faszinierend, wenn zwei herausragende Musikerpersönlichkeiten aufeinandertreffen wie die Dirigentin Elim Chan und der Pianist Vikingur Olafsson im Musikverein. Beide noch keine Vierzig, zählen sie zu den Gefragtesten ihres Fachs und repräsentieren eine neue, überaus erfolgreiche Generation in der Klassikwelt.
Wenn man sie hört, weiß man warum. Chan, in dieser Spielzeit Porträt-Künstlerin des Musikvereins, verschaffte Olafsson bei ihrem zweiten Konzert, das sie am Pult der Wiener Symphonikern absolvierte, mit Maurice Ravels „Klavierkonzert in G-Dur“ sein Debüt im Goldenen Saal. Olafsson bestach mit atemberaubenden Trillerketten, luzid lyrischem Spiel und brachte in der langen Solo-Passage im langsamen Satz den Steinway herrlich zum Singen.
Irrlichternde Momente à la Debussy, Anklänge an Gershwin, Eleganz und Sinnlichkeit, all das war vom Solisten und vom präzise geführten Orchester zu hören und versetzte das Publikum in Euphorie. Mit zwei Zugaben, Bach und Bartok, beendete Olafsson seinen glänzenden Auftritt.
Den anderen Teil des Programm widmete Chan ausschließlich Musik aus Großbritannien. Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“ gerieten zum aufwühlenden Auftakt. Ein wundersam nuanciertes Spiel von Klangfarben changierte zwischen tröstlichen Passagen und unbändigen Gewalten.
Mit „Didos Lamento“ von Purcell (bearbeitet von Leopold Stokowski) leitete sie Edward Elgars „Enigma-Variationen“ ein. Eine verblüffende Kombination, aber sie passte.
Maßarbeit dann für „Nimrod“, wie sie feinst die Motive mit dem hingebungsvoll spielenden Orchester ziselierte und die Spannung durchgehend hielt. Viele Bravos.
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