Das Musikwochenende: Gedenken an zwei Größen, frische Stars und neue Klänge

Das Musikwochenende: Gedenken an zwei Größen, frische Stars und neue Klänge
Claudio-Abbado-Konzert und Gedenkkonzert für Lothar Knessl bei Wien Modern. Elim Chan und Pianist Víkingur Ólafsson mit den Symphonikern (Von Susanne Zobl).

Abbado-Konzert bei Wien Modern: Wenn neue Musik auch tatsächlich neu klingt

Ein Konzert mit Enno Poppe und dem Ensemble Resonanz. Zwölf Streichinstrumente, zwei Schlagwerke im Foyer und in der Durchfahrt des Wiener Musikvereins. Das Publikum konnte sich dazwischen bewegen und sein Klangerlebnis selbst bestimmen, der am Büfett  erhöht positionierten Cellistin folgen oder dem Schlagwerker vor dem Stiegenaufgang oder dem Kontrabass vor dem Spiegel. Sphärische Klänge luden zum Eintauchen in faszinierende Klangwelten. „Open Spaces II. In Memory of James Tenney“ heißt das starke Werk und stammt vom weltweit gefragten österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas.

Ein gelungener Auftakt zum traditionellen „Claudio Abbado Konzert“, das an den Gründer von Wien modern erinnert. Im Goldenen Saal setzte man mit „iv. 13. Miniaturen für Streichquartett“ von Marc André verblüffend fort. Auf Isabel Mundrys kurzweilige „Signaturen für zwei Klaviere (Andreas Grau, Götz Schumacher) und Schlagzeug (Johannes Fischer) folgte ein Klassiker der Gegenwart. Enno Poppe führte seinen „Wald“ für vier Streichquartette, famos musiziert vom Ensemble Resonanz, auf.

Am Ende eine  Uraufführung, Milica Djordjevićs „Jadarit für Schlagzeug und Streichorchester“. Die mit Auszeichnungen, wie dem renommierten Ernst von Siemens Musikpreis, gekürte Komponistin demonstriert damit, wie faszinierend Neue Musik sein kann, wenn der Schwerpunkt am Musizieren liegt.

Das Musikwochenende: Gedenken an zwei Größen, frische Stars und neue Klänge

Der Schlagzeuger (exzellent: Dirk Rothbrust) tritt mit einem scheppernden Koffer auf, begeistert mit fulminanten Soli, dazwischen ein Streichorchester, das mit oft verzerrten symphonischen Sequenzen spielt.

Wien Modern gedachte einem Pionier der zeitgenössischen Musik

Das Konzert war längst programmiert, als Lothar Knessl, maßgeblicher Streiter für zeitgenössische Musik und neben Claudio Abbado und Hans Landesmann einer der Mitbegründer von Wien Modern, im August dieses Jahres im Alter von 95 Jahren aus dem Leben schied.
Daraus wurde „Lothar Knessl in memoriam“, das mit Chefdirigentin Marin Alsop am Pult ihres toll musizierenden ORF Radio-Symphonieorchesters Wien zum erhellenden Ausblick auf Neue Musik geriet.

Fulminant erhob sich bei „Star Washers“ der Mexikanerin Angélica Castelló ein faszinierendes Klangszenario mit Sogwirkung aus elektronisch eingespieltem Rauschen. Stimmen am Telefon, Sphärenklänge, die wie Grüße ans Weltall anmuteten und sich am Ende mit dem eingespielten Gesang von Barbara Hannigan vereinten.

Nach Milica Djordjevićs feiner Klangstudie dann der nächste Höhepunkt: „60 Auditory Scenes for Investigating Cocktail Party Deafness“ von Matthias Kranebitter. Geräusche aus dem Alltag verschmolzen mit Klängen eines Orchesters zu einem toll ausbalancierten musikalischen Dramolett mit echten Pointen.

Sara Glojnarić ließ mit „sugarcoatin #4“, einer gefälligen Verarbeitung von Pop- und Jazzmotiven, aufhorchen. Mirela Ivičević zog in expressiven  Ausbrüchen vereint mit schwebenden Schönklängen effektvoll in ihren Bann.

Die nächste Generation: Dirigentin Elim Chan und Pianist Víkingur Ólafsson mit den Symphonikern

Faszinierend, wenn zwei herausragende Musikerpersönlichkeiten aufeinandertreffen wie die Dirigentin Elim Chan und der Pianist Vikingur Olafsson im Musikverein. Beide noch keine Vierzig, zählen sie zu den Gefragtesten ihres Fachs und repräsentieren eine neue, überaus erfolgreiche Generation in der Klassikwelt.

Wenn man sie hört, weiß man warum. Chan, in dieser Spielzeit Porträt-Künstlerin des Musikvereins, verschaffte Olafsson bei ihrem zweiten Konzert, das sie am Pult der Wiener Symphonikern absolvierte, mit Maurice Ravels „Klavierkonzert in G-Dur“ sein Debüt im Goldenen Saal. Olafsson bestach mit atemberaubenden Trillerketten, luzid lyrischem Spiel und brachte in der langen Solo-Passage im langsamen Satz den Steinway herrlich zum Singen.

Irrlichternde Momente à la Debussy, Anklänge an Gershwin, Eleganz und Sinnlichkeit, all das war vom Solisten und vom präzise geführten Orchester zu hören und versetzte das Publikum in Euphorie. Mit zwei Zugaben, Bach und Bartok, beendete Olafsson seinen glänzenden Auftritt.

Den anderen Teil des Programm widmete Chan ausschließlich Musik aus Großbritannien. Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“ gerieten zum aufwühlenden Auftakt. Ein wundersam nuanciertes Spiel von Klangfarben changierte zwischen tröstlichen Passagen und unbändigen Gewalten. 

Das Musikwochenende: Gedenken an zwei Größen, frische Stars und neue Klänge

Mit „Didos Lamento“ von Purcell (bearbeitet von Leopold Stokowski) leitete sie Edward Elgars „Enigma-Variationen“ ein. Eine verblüffende Kombination, aber sie passte.

Maßarbeit dann für „Nimrod“, wie sie feinst die Motive mit dem hingebungsvoll spielenden Orchester ziselierte und die Spannung durchgehend hielt. Viele Bravos.

 

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