Damon Albarns Gorillaz verbannen Ultrarechte nach "Cracker Island"
Der Mastermind der Cartoon-Band, gibt sich auf dem neuen Album gewohnt sozialkritisch, aber auch traurig über die Weltlage
20.02.23, 18:00
Als „Echokammer für die Ideologien am Rand der politischen Rechten“ bezeichnet Damon Albarn „Cracker Island“. Der Musiker, der in den 90er-Jahren mit der Britpop-Band Blur berühmt wurde und ab 2001 mit seiner Cartoon-Band Gorillaz und Hits wie „Clint Eastwood“ ebenso große Erfolge feiern konnte, hat das kommenden Freitag erscheinende neue Gorillaz-Album nach dieser fiktiven Insel benannt.
Musikalisch konzentriert sich der Sänger, Songwriter und Hauptinstrumentalist der Band, die für genreübergreifende, innovative Sounds zwischen Pop, Hip-Hop und Weltmusik bekannt ist, auf „Cracker Island“ auf anspruchsvollen Synthiepop, der viele einnehmende Melodien und gelegentlich Einflüsse von Rap oder Reggaeton. Die Idee zu dem losen Konzept, dass sich auf der Insel die kryptische Sekte „Der Letzte Kult“ formiert und einer Messias-Gestalt folgt, kam Albarn, als er viel Zeit in Los Angeles verbringen musste.
„Ich war eigentlich immer sehr reserviert gegenüber dieser Stadt, vielleicht auch weil ich nicht Autofahren konnte“, erzählt der 54-Jährige.
„Das habe ich aber in der Pandemiephase gelernt. Ich habe dann viel Zeit in L. A. verbracht, weil ich an einem Netflix-Projekt mit den Gorillaz gearbeitet habe, das sich aber nie manifestiert hat. In der Zeit zwischen den Meetings konnte ich jetzt mit dem Auto unterwegs sein, die Stadt neu erfahren und dort Orte besuchen, wo ich nie zuvor gewesen bin. Und Los Angeles ist die Heimat moderner Utopien, der perfekte Platz, um über Kulte und ihre Entstehung nachzudenken.“
In den Songs geht es deshalb – wie so oft bei den Gorillaz – um die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik und den Einfluss des Internets und der sozialen Medien auf unsere Gesellschaft und die Politik. Müde Influencer („The Tired Influencer“) werden genauso porträtiert wie Thailands Königin („Baby Queen“), die einst als Prinzessin bei einem Blur-Konzert zum Schrecken ihrer Bodyguards crowdsurfen wollte.
Alle zehn Songs von „Cracker Islands“ sind tanzbar und melancholisch zugleich. Sie spiegeln Albarns Traurigkeit, Frustration und Resignation über eine Welt, die auf einen Kollaps zuzusteuern scheint, angesichts dessen sich viele in Apathie verlieren, aufhetzen lassen, oder in künstliche Welten flüchten.
Albarn hat für das Album auch wieder mit spannenden Gästen zusammengearbeitet. Er sieht die Gorillaz als die ideale Plattform dafür: „Wir sind eine sehr, sehr große Kirche. Und das einzige, was du brauchst, um eintreten zu können, ist ein offenes Herz, der Wille, dem Prozess von Kollaborationen zu vertrauen, und die Neugier darauf, wo das hinführt.“
Mit dabei sind diesmal Tame Impala, das psychedelische Musikprojekt des Australiers Kevin Parker, („New Gold“), Beck auf dem letzten Song „Possession Island“ und Fleetwood-Mac-Star Stevie Nicks, die bei „Oli“ die zweite Stimme singt.
Albarn ist ein Fan von Fleetwood Mac, seit er ein Teenager war, und liebt das Album „Rumours“, das seiner Meinung nach das einzige ist, das man studieren muss, wenn man ein perfektes Pop-Album schaffen will.
Albarn hat für 2023 aber auch die Reunion von Blur auf dem Programm. Das Quartett wird im Sommer auf diversen europäischen Festivals auftreten, unter anderen beim Primavera-Trio in Barcelona, Madrid und Porto, und am am 8. und am 9. Juli in seiner Londoner Heimat im Wembley Stadion auf der Bühne stehen.
FAKTEN ZUR BAND GORILLAZ
Die Idee, eine Cartoon-Band zu gründen, hatten Damon Albarn und Comic-Zeichner Jamie Hewlett, 2000, weil auf dem Musik-TV-Sender MTV „nichts von Substanz“ zu sehen war und sie das kommentieren wollten.
Gorillaz-Tourneen spielt Damon Albarn mit wechselnder Besetzung. Anfangs wollte er anonym bleiben, trat hinter einem Vorhang auf, auf den die Cartoons projiziert wurden, und für Interviews gab es Cartoon-Stimmen. Aber „anders als mein Freund Banksy“, sagt Albarn, konnte er das Geheimnis nicht lange wahren.
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