Für Léo und Rémi ist alles wunderbar, bis sie ans Gymnasium kommen. Die Mitschüler machen sich plötzlich lustig über ihre Nähe und unschuldige Zuneigung füreinander. „Seid ihr ein Paar?“, fragen sie höhnisch und verunsichern die beiden. Während Rémi nichts auf das Gehänsel gibt, nimmt es sich Léo zu Herzen und geht auf Distanz zu Rémi. Remi zerbricht daran. „Freundschaften sind ein Herzstück unseres Lebens und wir haben alle schon welche vergeigt. Jeder hat schon einmal einen wertvollen Menschen weggestoßen oder wurde seinerseits zurückgewiesen. Den Wert der Nähe zu einem Menschen erkennt man oft erst zu spät“, sinniert Dhont.
Auch er habe als Jugendlicher Freunde vor den Kopf gestoßen, weil er wusste, er könne den männlichen Rollenerwartungen nicht gerecht werden: „Ich fürchtete die Intimität und Nähe. Ich dachte damals, ich bin der Einzige, der so fühlt. Später habe ich dann verstanden, dass das natürlich nicht so ist. Wir leben in einer Kultur, die so gar nicht daran gewöhnt ist, Männlichkeit mit Emotionen und Zärtlichkeit zu verbinden. Männer sollen nicht so viel Gefühl zeigen“.
Dhont gelingt es, eine geradezu symbiotische Beziehung zwischen seinen beiden jungen Hauptdarstellern Eden Dambrine (Léo) und Gustav de Waele (Rémi) zu schaffen, was dem Film unglaubliche Kraft verleiht. „Die beiden hatten sich vorher noch nie getroffen und hatten noch nie geschauspielert. Sie fielen uns schon auf, als wir sie beim Casting in einer Gruppe von 20 Burschen sahen. Es gab eine unmittelbare Verbindung zwischen ihnen, sie verstanden sich auf Anhieb. Wir haben dann sechs Monate lang miteinander gearbeitet und als wir den Dreh begannen, wussten wir, dass wir gemeinsam etwas Tolles schaffen können“.
Stimmt es, dass er schon als 12-Jähriger vor dem Spiegel daheim in Gent seine Oscar-Dankesrede geübt hat? – „Ja“, schmunzelt Dhont, „das stimmt. Ich wusste schon als Kind, dass ich Filme machen will. Ich wollte nie etwas anderes. Meine Mutter hatte eine Freundin, die eine Videokamera besaß und fragte sie, ob sie mir diese leihen könnte. Die Oscars waren für mich schon damals das ultimative Symbol für den Erfolg als Filmemacher. Ich nahm also eine Shampooflasche in die Hand, hielt sie hoch wie meinen Oscar und hielt meine Gewinnerrede“.
Dhont geht 2023 mit „Close“ als Belgiens Kandidat für den Auslandsoscar ins Rennen. „Ja, mein Herz hüpft vor Freude, weil ich das Ganze gar nicht fassen kann. Vielleicht wird mein Traum doch wahr“. Bescheiden geblieben ist der 31-Jährige aber trotz seines Erfolgs: „Meine größte Inspiration war und ist meine Mutter. Sie ist Lehrerin und malt in jeder freien Minute. Sie hat eine ungeheure Kraft und Kreativität, die nicht gesehen wird, aber trotzdem da ist. Sie macht die Dinge für sich, nicht für die anderen. So soll es sein“.
VonSusanne Lintl
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