Chef-Wechsel beim Hanser Verlag

Chef-Wechsel beim Hanser Verlag
Jo Lendle wird neuer Hanser-Chef. Der langjährige Verlagsleiter Michael Krüger geht Ende 2013.

Jo Lendle wird neuer Chef des Münchner Carl Hanser Verlages. Der 44-Jährige folgt damit auf Michael Krüger, der den Posten Ende 2013 aufgibt, wie der Verlag am Donnerstagnachmittag in München mitteilte.

Der 69 Jahre alte Krüger war 1968 als Lektor zum Hanser Verlag gekommen und hatte ihm spätestens seit 1986 als Verlagschef seinen Stempel aufgedrückt. Seit 1995 ist er geschäftsführender Gesellschafter. Unter seiner Führung wurde der Verlag zu einer erstklassigen Adresse im deutschen Literaturbetrieb. Zahlreiche Hanser-Autoren sind mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden, darunter Herta Müller und Orhan Pamuk. Anfang des Jahres wurde unter seiner Ägide ein Verlagsableger in Berlin gegründet.

Eine der letzten großen Verlegerpersönlichkeiten

Chef-Wechsel beim Hanser Verlag
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Michael Krüger und der Hanser Verlag - jahrzehntelang gehörte beides untrennbar zusammen. Auch wenn Krüger Hanser weiter als Herausgeber und Berater zur Verfügung stehen will - sein Abschied ist ein großer Einschnitt, nicht nur für den Verlag. Mit Krüger geht eine der letzten großen Verlegerpersönlichkeiten der Bundesrepublik.

Krüger ist vielleicht auch der letzte Verlagschef, der kein E-Book bedienen kann - und der im November im Interview mit Autorin Juli Zeh in der Zeit Dinge sagt wie "die Literatur vor dem Internet war doch tausendmal experimenteller als die jetzige". Er ist wohl auch einer der letzten, die noch von Literatur und Büchern sprechen, nicht von Content und Produkten. "Ich kann diese Sprache kaum noch ertragen", sagt er in der "Zeit". Als er anfing, habe man in seiner Sparte über Literatur gesprochen. "Bücher hieß es früher. Bücher!"

Auf einem deutschen Buchmarkt, den drei große und international agierende Konzerne - Bertelsmann, Holtzbrinck und Bonnier - weitgehend unter sich aufgeteilt haben, erinnert Krüger daran, wie es früher einmal war - und worum es ihm auch immer noch geht. Hanser ist heute einer der letzten Verlage in Deutschland, die nicht zu einem der großen Konzerne gehören.

Umbruch in deutscher Verlagslandschaft

"Das ist neu, diese globalisierte Verlegerei", sagt Krüger in der Zeit. "Vor 40 Jahren, als ich anfing, gab es 1700 Verlage, jeder hatte seinen Stand auf der Buchmesse und hat seine Bücher angeboten. Und allein in Westdeutschland gab es 2400 unabhängige Buchhandlungen." Werten wolle er das ja gar nicht, aber: "Es ist für eine lebendige Literatur, glaube ich, immer wesentlich, dass der Markt nicht zentral gesteuert wird."

Der Verleger und Dichter Krüger gilt als einer der führenden Intellektuellen des Landes. Seine Sorge gilt schon seit Jahren der rasant fortschreitenden Ökonomisierung des Buchmarktes. Nach dem überraschenden Führungswechsel beim Suhrkamp Verlag und der Abberufung von Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz per Gerichtsbeschluss Anfang der Woche ist der schleichende Abschied von Krüger ein weiterer großer Umbruch in der deutschen Verlagslandschaft.

"Moderner Verleger"

Der künftige Hanser-Chef Lendle, der vom DuMont Verlag nach München wechselt, tritt also in große Fußstapfen. Hanser lobt ihn als Verkörperung des modernen Verlegers, der auf die Veränderungen des Medienmarktes mit "Weitblick" und "kaufmännischer Umsicht" reagiere, der aber auch ein Gespür habe für literarische Autoren und außergewöhnliche Stoffe.

Das literarische Profil von Hanser wolle er bewahren, kündigte Lendle am Freitag im Deutschlandradio Kultur an. "Ohne dieses Profil gäbe es den Zauber von Hanser nicht", sagte er. Unter Krüger habe Hanser den Spagat geschafft zwischen den Bedürfnissen der literarischen Leser und des Handels, der gut lesbare Bücher fordert. "Michael Krüger (...) hat all das aufgebaut, was Hanser heute ausmacht", sagte Lendle. "Das kann man nur bewundern."
 

Zur Person: Jo Lendle

Jo Lendle studierte an der Universität Hildesheim und dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Parallel arbeitete er als Geschäftsführer und Herausgeber der Literaturzeitschrift "Edit". Von 1997 an war er für den DuMont Buchverlag tätig, zunächst als Lektor, seit 2006 als Programmleiter für deutschsprachige Literatur. Neben seiner Verlagsarbeit war er als Dozent und Gastprofessor an den Universitäten München, Leipzig, Hildesheim und Bern tätig. Seit Anfang 2012 hat er die verlegerische Geschäftsführung bei DuMont inne.

Lendle veröffentlichte zudem 1999 bei Suhrkamp die Prosasammlung "Unter Mardern". Seine Romane "Die Kosmonautin", "Mein letzter Versuch, die Welt zu retten" und "Alles Land" erschienen bei der DVA.

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