Castorf fühlt sich behandelt wie ein "Idiot"
Nach dem Skandal um seine "Ring"-Inszenierung in Bayreuth fühlt sich der Regisseur Frank Castorf (63) von den Wagner-Festspielen als "Idiot" behandelt. Die Chefinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier versuchten die Wiederaufnahme seiner Produktion zu torpedieren, sagte Castorf dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel.
"Ich merke, dass all die Anarchie, die mein Bühnenbildner Aleksandar Denic und ich hier vergangenes Jahr reingebracht haben, nicht mehr erwünscht ist", sagte Castorf, der seit 1992 Intendant der Berliner Volksbühne ist. So habe die Festspielleitung versucht, ein NPD-Plakat aus dem Bühnenbild zu entfernen. Der Sänger Martin Winkler, der ihm als Alberich wichtig sei, sei umbesetzt worden - "angeblich aus musikalischen Gründen". Bayreuth falle gerade auf das Niveau eines "Stadttheaters" zurück, meinte der Theaterregisseur: "Die Stürme haben sich gelegt, die Langeweile hat gesiegt".
Castorf hatte den Kampf um das Gold der Nibelungen in Richard Wagners Tetralogie als Kampf ums Erdöl gedeutet und dabei heftige Kritik und erzürnte Buhrufe aus dem Publikum bekommen. Mittlerweile habe er sich bei Gregor Gysi als Anwalt juristischen Beistand geholt, sagte Castorf. "Man redet hier sehr wenig mit mir. Man glaubt, dass man meine natürliche Faulheit und mein Desinteresse an Machtspielen dafür nützen kann, mich vor vollendete Tatsachen zu stellen. Als wäre ich ein Idiot", sagte der Leiter der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte über die Bayreuther Festspiele. "Es herrschen hier Angst, Vorsicht, vorauseilender Gehorsam."
Keine Kanzlerin, keine Neuinszenierung – nach dem Wagner-Jahr 2013 können die Bayreuther Festspiele ein wenig durchatmen. Erstmals wird Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht an der Eröffnung am 25. Juli teilnehmen, und auch neue Regie-Aufregungen sind mangels Premieren nicht zu erwarten. Langweilig wird es am Grünen Hügel aber auch 2014 nicht.
Zwar ist die Zukunft der Festspiele seit einigen Tagen geklärt – Richard Wagners Urenkelin Katharina wird von 2015 bis mindestens 2020 Alleinherrscherin am Hügel sein – für Diskussionen ist dennoch gesorgt.
Das beginnt schon mit der ersten Premiere, mit Wagners "Tannhäuser" in der albernen Biogasanlagen-Inszenierung von Sebastian Baumgarten. Mit dieser Produktion aus 2011 konnte sich das Publikum nie anfreunden; sie verschwindet zum Festspielfinale am 28. August auch endgültig vom Spielplan.
2014 und auch 2015 im Programm bleibt eine andere, anfangs umstrittene Inszenierung: Hans Neuenfels’ radikal-mutige "Lohengrin"-Deutung (ja, die mit den Ratten) ist im Laufe von fünf Jahren Kult geworden; Andris Nelsons dirigiert auch heuer.
Der Dirigent ist der Star
Größtes Atout bei Jan Philipp Glogers eher bedeutungsloser Inszenierung des "Fliegenden Holländers" ist 2014 der Dirigent: Christian Thielemann steht ab 26. Juli am Pult des Festspielorchesters.
Und auch ein anderer Pult-Gigant ist in Bayreuth wieder im Einsatz. Wie bereits bei der Premiere 2013 wird Kirill Petrenko erneut Wagners " Ring des Nibelungen" leiten. Petrenko war für sein Dirigat 2013 frenetisch gefeiert worden; der Regisseur des "Jubiläums-Rings" wurde hingegen auch heftig attackiert. Denn Frank Castorf hat Wagners Monumentalwerk gehörig durchgeschüttelt – seine "Ring"-Tetralogie ist eine heutige Abrechnung mit politischen wie ökonomischen Systemen. Man darf neugierig sein, ob das Bayreuther Publikum diesen kompromisslosen Zugang inzwischen mehr goutiert.
Und 2015? Dann gibt es in Bayreuth auch wieder eine Premiere: Hausherrin
Katharina Wagner selbst wird "Tristan und Isolde" in Szene setzen. Am Pult steht einer ihrer wichtigsten Mitstreiter: Christian Thielemann.
INFOS: www.bayreuther-festspiele.de
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