Cannes: Großer Schaulauf der Altmeister

Wo übernachten eigentlich Stretchlimousinen? Ausgerechnet diese Frage beschäftigt Robert Pattinson ganz massiv in einem der letzten Wettbewerbsbeiträge, die in Cannes gezeigt wurden: in David Cronenbergs schneidendem Film "Cosmopolis". Wer Leos Carax’ bizarres "Holy Motors" gesehen hat, weiß, wo Stretchlimos übernachten: in einer Garage, wo sie sich miteinander unterhalten, als wären sie in Pixars Animationsfilm "Cars".
Ganz so spaßig geht es bei Cronenberg nicht zu. In seiner Adaption des US-Romans von Don DeLillo gleitet eine Stretchlimo mit "Twilight"-Star Robert Pattinson im Fond durch ein New York, wo Straßenkämpfe stattfinden. Pattinson als emotionstoter Finanzhai hockt im Auto, hat Sex, führt verwegene Gespräche und will sich die Haare schneiden lassen.
Bei der Pressekonferenz gab Pattinson zu, aus dem Drehbuch nicht ganz schlau geworden zu sein. Auch Cronenberg versicherte, dass man sich keine Sorgen zu machen brauchte, wenn man nicht jeden Satz verstanden hatte.
"Cosmopolis" ist kühles, sezierendes Kino und fühlt sich an wie eine Fortsetzung von Cronenbergs Freud-Film – nur, dass es diesmal um die Triebstruktur des Kapitalismus geht: Der ausgehöhlte Banker, der keine Lust mehr empfindet und verwechselbar bleibt wie ein Geldschein. Pattinson-Fans werden keine Freude haben.
Trotzdem: Cronenbergs "Cosmopolis" zählte zu den tollen Herausforderungen in Cannes in einem Wettbewerb, der im Zeichen etablierter, teilweise recht alter Männer stand. Diese Haudegen des Kinos lieferten so herausragende Filme ab wie Haneke mit "Amour", Ulrich Seidl mit "Paradies: Liebe" oder Cronenberg mit "Cosmopolis".
Was aber wiederum eine Durchschnittskomödie wie "The Angels’ Share" von Ken Loach oder ein missratenes Melodram wie "The Taste of Money" des Koreaners Im Sang-Soo im Wettbewerb zu suchen hatten – das bleibt nicht nachvollziehbar.
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