„Lecken 3000“ im Burg-Vestibül: Wann beginnt der Missbrauch?
Ariadne konfrontiert ihre ehemalige Lehrerin mit Vorwürfen: Azaria Dowuona-Hammond (r.) und Alexandra Henkel
Der Titel führt auf die falsche Spur. Denn das „Lecken 3000“ ist, wie man im Stück von Lynn Takeo Musiol, einer „neurodivergenten Person“ aus dem Rheinland, erfährt, ein Club für queere Menschen. Aber dort spielen nur zwei Szenen, es geht um was ganz anderes: Ariadne wird gewahr, dass sie einst von ihrer Lehrerin mehr oder weniger missbraucht wurde. Aufgeganselt von Moses (divers), schreibt sie ein Buch.
Musiol hat das Stück von der Heimat (Rheinberg) mittendrin ins Waldviertel verlegt, an ein Adalbert-Stifter-Gymnasium. Auch Charlie, eine Person im Rollstuhl, soll Opfer gewesen sein: Sie erzählt davon, will aber nicht an die Öffentlichkeit gehen. Denn: „Von Lesben missbrauchte Lesben – da reiben sich Faschos die Hände.“ Also Deckel drauf wie in der Kirche. Richtig? Ariadne jedoch zitiert Charlie. Übergriff?
Claus Nicolai Six, frisch am Burgtheater, durfte den „Gewinnertext“ des Retzhofer Dramapreises am Samstag im Vestibül zur Uraufführung bringen. Er peitscht den mit englischen Phrasen überfrachteten Text in 70 Minuten durch (auf Kosten vieler Pointen), Marie Therese Fritz ergänzt mit fantasievollen Latex-Kostümen.
Safira Robens als Hops
Darstellerisches Können bringen nur die Burgensemblemitglieder Safira Robens (als Hops) und Alexandra Henkel als „hotte MILF“ ein: Die Lehrerin erklärt der Ex-Schülerin, dass es sich die Jugend vielleicht doch etwas einfach macht, wenn immer die anderen am eigenen Unglück schuld seien. Der Plot regt zum Nachdenken an, bleibt aber in der grellen Inszenierung zu sehr an der Oberfläche.
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