Buchpreis: Finale mit zwei Überraschungen

Buchpreis: Finale mit zwei Überraschungen
Milena Michiko Flašar (Bild) ist die einzige Frau, die um die österreichische Auszeichnung im Rennen ist.

Arno Geiger ist vor dem Finale ausgeschieden. Sein Roman „Unter der Drachenwand“ erzählt vom Töten im Krieg, indem er vom Leben erzählt. Vom Überleben. Vom Wunsch,Schönes zu erleben.
Viel eindrucksvoller und existenzieller geht es kaum. Was auch für Robert Seethaler gilt, der  die Toten auf dem Friedhof reden lässt, denn die haben jetzt den Durchblick, die Lebenden haben ja keine Ahnung, was wichtig ist: Auch „Das Feld“ ist nicht mehre dabei. Die zweite Überraschung.
Die zweite strittige Vorentscheidungen der Jury – drei Germanisten, eine Kritikerin, eine Buchhändlerin – , wie sie bei Buchpreisen  wohl dazugehört.
Nächste Woche,  5. November, wird verkündet, wer nach Friederike Mayröcker 2016 und Eva Menasse 2017  den mit 20.000 Euro dotierten Österreichischen Buchpreis  bekommt. Hier die fünf Finalisten (aus den KURIER-Wertungen unten ergibt sich die persönliche Favoritin).


Gerhard Jäger und „All die Nacht über uns“: Ein Soldat steht nachts auf einem Wachturm  und passt auf, dass niemand über den Maschendrahtzaun kommt. Hat nicht seine Oma selbst flüchten müssen? Eine atmosphärische (Lese-)nacht  wird das. Dass es finster ist, wird vom Vorarlberger Gerhard Jäger bissl sehr oft betont.

Gerhard Jäger:
„All die Nacht über uns“
Picus Verlag.
240 Seiten.
22 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Heinrich Steinfest und „Die Büglerin“: Entweder man ist begeistert oder man greift sich auf den Kopf. So ist es immer mit Steinfest, und es genügt ein Bügeleisen, um vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen – das heißt: zu einem Attentat im Kino, zu Maroni und einem schwarzen Quadrat auf einem weißen Hemd. Man darf sich keinen Sinn erwarten. Es gibt ihn trotzdem.


Heinrich
Steinfest:
„Die Büglerin“
Piper Verlag.
288 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

Milena Michiko Flašar und „Herr Kato spielt Familie“: Es ist einfacher, Familie zu spielen,als Familie zu sein. Ein namenloser Pensionist langweilt seine Frau und sie langweilt ihn. Einen weißen Hund, den er so gern hätte, bekommt er nicht. Er spielt keine Rolle mehr. Aber unter dem Namen Herr Kato, da ist er wer: Er doubelt im Auftrag einer Agentur fehlende Familienmitglieder. Einen Verstorbenen. Oder einen Verflossenen. Als Herr Kato ist der Namenlose begehrt. Ist abwegig, was er tut? Ist die Zeit abwegig geworden? Herr Kato muss noch lernen, mit dem ganzen Körper zu lächeln. Selbst die Zehen müssen lächeln können. Er übt vor dem Spiegel. Leser schleichen zum Ausprobieren Richtung Bad.


Milena Michiko
Flašar:
„Herr Kato spielt Familie“
Wagenbach
Verlag
169 Seiten. 20,60 Euro.

KURIER-Wertung: *****


Daniel Wisser und „König der Berge“: Hier trinkt jemand aufs Leben (viel Grünen Veltliner) und freut sich aufs Sterben – könnte ihn jemand in die Schweiz zur Sterbehilfe bringen? Voller Widersprüche ist der Mensch. Was Daniel Wisser aus einem unsympathischen Mittvierziger, der Multiple Sklerose hat, im Heim lebt und im Rollstuhl sitzt, herausholt, ist derart traurig, dass nur eines hilft. Lachen.


Daniel Wisser:
„König
der Berge“
Verlag Jung und Jung.
400 Seiten.
245 Euro.

KURIER-Wertung: ****

Josef Winkler und „Laß dich heimgeigen, Vater“: Winkler gilt als Favorit. Weil er fürs Lebenswerk ausgezeichnet werden könnte? Dafür ist der Buchpreis nicht gedacht. Der aktuelle Roman des Kärntners ist Begleitmusik für den Vater und die anderen Verwandten, die es verschwiegen haben: Judenmassenmörder Globocnik wurde von den Engländern auf einem Gemeinschaftsfeld im Drautal verscharrt. Winkler war über 60, als er erfuhr, dass dort das Getreide  für „unser tägliches Schwarzbrot“ aus Globocniks Skelett gewachsen ist. Zumindest er spürt den Auftrag, darüber zu reden. Andere segnen das Korn mit Weihwasser.


Josef Winkler: „Laß dich heimgeigen, Vater
oder
Den Tod ins Herz mir
schreibe“
Suhrkamp.
200 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

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