Buchkritik: Jeffrey Eugenides und "Das große Experiment"

Buchkritik: Jeffrey Eugenides und "Das große Experiment"
Die ersten zehn Kurzgeschichten des Pulitzer-Preisträgers: Der Durchfall wird im Klappentext nicht erwähnt.

Der Klappentext vorne versucht, einen roten Faden ausfindig zu machen, der sich durch die zehn Erzählungen zieht:
Es gehe um Menschen in Schwierigkeiten, so wird verraten. Naja, das kommt gar nicht selten vor, im Leben wie in Büchern. Aber bitte sehr, wenn man unbedingt einen Faden haben will.
Und es wird aufgezählt:
Ein Familienvater arbeitet brav, aber trotzdem kann er sich die Heizung daheim nicht leisten, und seine Kinder müssen woanders übernachten. Ein indisches Mädchen wehrt sich gegen die Zwangsheirat. Eine dement werdende Frau wird von ihren Söhnen in ein scheußliches Heim gesteckt ...
Die beste Geschichte wird nicht erwähnt.
Ein junger Tourist in Asien leidet wochenlang an Durchfall, bevor er sich  mit dem Meer fließend verbindet gewissermaßen.
Durchfall ist wahrscheinlich nicht gar so anziehend vorne im Klappentext.

Aufgebläht

Es gibt auch Versuche, Geld als verbindendes Element zu sehen. Auch das ist richtig. Man hat es oder braucht es. Sogar der Amerikaner, der Durchfall hat, braucht Geld für seine lange Reise.
Lassen wir das. Jeffrey Eugenides (Foto oben) ist Autor von „Das große Experiment“. Das sollte Faden genug sein. Der Pulitzer-Preisträger wurde mit dem Roman „Middlesex“, der Lebensgeschichte eines Hermaphroditen, weltberühmt.
Zuletzt schrieb er „Die Liebeshandlung“ – eine zum Roman aufgeblähte Kurzgeschichte. Spätestens bei dem Buch merkte man: Ironie beherrscht er nicht. Dafür durfte man über seine Worte rätseln: Wieso ist ein Mann beim Sex „er selbst“ und  „nicht er selbst“?
 Jetzt  gibt es erstmals Kurzgeschichten von Jeffrey Eugenides, geschrieben ab 1996. Aus manchen hätte durchaus ein Roman werden können und dürfen, Der Durchfall lieber nicht. Der bläht auf 30 Seiten genug.
Aber die Schwangerschaftsparty, die hätt’ man gern länger besucht; und die Folgen danach beobachtet. Denn Diane, eine Frau um die 40, wollte  ein Kind. Aber keinen Mann. Sie hat sich den schönen Ronald ausgesucht und artig um Erlaubnis gefragt, auch Rolands Ehefrau, ob er ihr denn ein Reagenzglas mit seinem Samen spendieren könnte.
Dianes Freundinnen besorgten eine ... Bratenspritze.
Roland leistete auf dem WC ganze Arbeit. Abe den Samen im Kühlschrank, den hat während der Party ein anderer Mann ausgetauscht. Er wollte  auch ein Kind.

 

Jeffrey
Eugenides: „Das große
Experiment“
Übersetzt von
Gregor Hens.
Rowohlt Verlag.
336 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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