Alina Bronsky: Wie Mann erkennt, dass die Erdäpfel weich sind

Alina Bronsky: Wie Mann erkennt,  dass die Erdäpfel weich sind
„Barbara stirbt nicht“ ist eine witzige Tragödie über ein altes Ehepaar

Der Buchtitel bedeutet nicht: Verdammt, wieso stirbt diese Barbara nicht endlich?

Es ignoriert bloß ein alter Mann, Herr Schmidt, dass seine Frau todkrank ist.

Er will die Diagnose nicht hören. Er will nicht sehen, dass sie seit Monaten im Bett liegt und meistens schläft.

Nein, nein – „Barbara stirbt nicht“, sie darf nicht sterben und kann allein schon deshalb nicht sterben: Barbara ist immer fitter als er gewesen. Und außerdem: Wer soll denn jetzt den ganzen „Weiberkram“ machen?

Er.

(Herr Schmidt hat früher beruflich Waschmaschinen und Geschirrspüler repariert. Ist ja viel toller, als Sandkuchen zu backen.)

Gleichgewicht

Bei Alina Bronsky kann man bei jedem Buch sagen, sie lege (zu) viel Wert auf Unterhaltung.

Aber würde man dieses Drama um ein seit 52 Jahren verheiratetes Paar, sie stirbt, er ist hilflos ... würden sich denn viele einen derartigen Roman antun?

Alina Bronsky – geboren in der Sowjetunion, in früher Jugend nach Deutschland gekommen, inzwischen mit Schauspieler Ulrich Noethen verheiratet – hat zwar ihr Spezialthema vergangener Romane verlassen:

Großmütter.

Aber sie bleibt eine große Nummer, wenn Tragödien in Komödien umgewandelt werden. Dabei lässt sie keine witzige Situation aus, unterfordert aber auch nie. Sie schafft ein gutes Gleichgewicht.

Herr Walter Schmidt ist, vor allem am Anfang, unerträglich. Ein böser Alter.

Seinen ältesten Sohn, der geistig behindert ist, hat er in den vielen Jahrzehnte niemals im Heim besucht.

Jetzt fragt er sich: Wie kommt er eigentlich dazu, seine Frau zu bedienen? WIESO GIBT’S DENN KEINEN KAFFEE IN DER FRÜH?

Filterkaffee hat er noch nie gemacht. Tiefgekühltes taut er auf, indem er’s stundenlang in warmes Wasser legt. Er hat keine Ahnung, woran man erkennt, ob die kochenden Erdäpfel schon weich sind. (Der gute Rat, mit der Gabel hineinzustechen, kommt ihm immerhin logisch vor.)

Wenn seine – schon leicht grauen – Kinder nicht wären: Herr Schmidt hätte nicht einmal den Arzt verständigt.

Wozu denn auch? Barbara stirbt nicht. „Wie geht’s ihr?“ fragen die Nachbarn. „Besser“, antwortet er, einfach so, und alle wissen, dass das nicht stimmt.

Das permanent ungute Gefühl, das man beim Bekanntwerden mit diesem Kerl hat, verschwindet nur langsam. So soll’s ja sein.

Mithilfe des Internets und einer blauhaarigen Verkäuferin beim Bäcker lernt Herr Schmidt kochen. Sogar Borschtsch, Barbara isst wenigstens zwei Bissen und lobt, sie habe nie einen so guten Borschtsch zusammengebracht.

Er findet immer mehr Freude am Kochen. Schaut sich TV-Kochsendungen an und beginnt sich überhaupt zu interessieren – sogar für andere Menschen: Das, nur das ist eine Möglichkeit , unsterblich zu werden.


Alina
Bronsky:

„Barbara stirbt nicht“
Kiepenheuer & Witsch.
256 Seiten.
20,95 Euro

KURIER-Wertung: ****

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