Werner Herzog: Der Soldat und die Welt im Dämmerzustand

Als der Münchner Regisseur Werner Herzog in Japan war – wen wollte er treffen?
Nicht den Kaiser. Was hätte er mit ihm reden sollen? Hiroo Onoda wollte er treffen. Jenen Soldaten, für den der Zweite Weltkrieg erst 1974 zu Ende gegangen war: Im Dschungel der Philippinen wollte er nicht glauben, dass Japan kapituliert hatte und hielt die kleine Bauerninsel Lubang wie ein Gespenst besetzt.
Man warf Flugzettel ab, um ihn auf seinen Irrtum hinwiesen. Man stellte Lautsprecher auf, man legte Zeitungen in den Dschungel ... Onoda hielt alles für eine List, mit der ihn die Amerikaner und deren Verbündete aus seinem Versteck zu locken versuchten.
Onoda sah sich bestärkt durch die US-Kampfjets am Himmel (die waren wegen des Koreakrieges da); und dann schon wieder Flugzeuge (Vietnamkrieg).
Erst seinem ehemaligen Kommandeur, dem nun schon 88-jährige Major Taniguchi vertraute er: „Leutnant, Ihr Krieg ist zu Ende!“
Lieber Rinder
Hier könnte der Roman noch einmal anfangen. Zumindest sollte er noch eine Zeitlang dauern und erzählen, wie Onoda (1922 – 2014) nach der Rückkehr derart populär war, dass er zum Bruder nach Brasilien flüchtete und Rinder züchtete.
Vor allem aber, wie es dem Leutnant langsam dämmerte, dass er 29 Jahre für Nichts und wieder Nichts in einer stets neu zusammengeflickten Uniform steckte.
„Das Dämmern der Welt“ heißt Werner Herzogs Roman, und es ist ja nicht nur der Soldat, der aufwacht. Es ist auch die Welt, für die nach dem Zweiten Weltkrieg ein neuer Morgen begonnen hat. Hätte beginnen können.
Ein friedvoller.
Filmregisseur Herzog hat, nach Aguirre, Fitzcarraldo ... einen neuen entrückten Helden gefunden, um Sinnhaftigkeit / Sinnlosigkeit des Lebens darzustellen.
Er hält sich dabei kurz. Das ist gut und dicht und ekstatisch. Bloß verweilt die Geschichte verhältnismäßig lang im Dschungel, wo anfangs drei Kameraden bei Onoda blieben. Einer stellte sich, zwei wurden von der Polizei erschossen – kein Wunder, Onoda hatte auf der Insel rund 30 „Feinde“ umgebracht.
(Der philippinische Präsident Marcos begnadigte ihn wegen der außerordentlichen Umstände).
Diese Informationen lassen sich einfach besorgen. Von Werner Herzog hätte man gern nicht nur mehr mehr „Danach“ gehabt. Auch mehr magische Momente ... die es gibt, z.B. wenn Onoda seinem Besucher Werner Herzog die alte Uniform präsentiert, 1997 war’s, in der Uniform steckte noch ein unentdecktes Fläschen Palmöl .
Der Japaner hatte es selbst im Dschungel fürs Kochen hergestellt. Die Entdeckung war etwas Greifbares für ihn. Es sagte ihm, dass es kein Traum war damals.
Andererseits: Wie beweist man, dass man träumt, wenn man träumt?
Werner
Herzog: „Das
Dämmern der Welt“
Hanser Verlag.
128 Seiten.
19,95 Euro
KURIER-Wertung: ****
Kommentare