Françoise Sagan (Foto oben) war reich und berühmt anfangs. „Bonjour Tristesse“, im Alter von 19 Jahren geschrieben, ist kühle Unterhaltung, befreiend, und wurde zu einer Zeit Weltbestseller, 1954, als es sensationell war, dass es sich die Hauptfigur, eine junge melancholische Frau,
erlaubt, ihre Lust auszuleben.
(„Er küsste mich zärtlich. Ich sah zum Himmel hinauf, dann nur noch rote, zuckende Lichter unter meinen geschlossenen Lidern.“)
Wenn jetzt aus Frankreich via
Le Monde die Nachricht kommt, ein Fundstück aus Sagans Nachlass sei nicht nur sensationell, sondern eine Atombombe, bekommt man Angst. Vor dummen Vergleichen und überhaupt.
„Die dunklen
Winkel des Herzens“ zeigen sich diese Woche in deutscher Übersetzung. Der Roman liest sich wie die Notizen zu einem Roman, der nicht geschrieben wurde.
Françoise Sagan, 2004 gestorben, hinterließ Schulden. Nachdem ihr Sohn das Erbe trotzdem angetreten hatte, wurden ihre insgesamt 15 Romane neu aufgelegt, es flossen also Tantiemen, und im Dickicht von Akten und Dokumenten fand er ein Manuskript der Mutter. Eine unvollendete Geschichte, wahrscheinlich aus den 1980ern oder 1990ern.
Begräbnismusik
Auch waren Wörter und Sätze verblasst, und Punkterln signalisieren: Da wollte, da musste sie sich noch etwas einfallen lassen. Aber das typische Sagan-Thema war sofort zu erkennen:
Unter den Reichen Frankreichs hatte ein junger Mann, Ludovic, einen Autounfall. Zwei Jahre lag der Industriellensohn im Spital, und dass er ins Leben zurückkehrte, gefiel seiner Ehefrau nicht sehr. Die Musik fürs Begräbnis hatte sie schon ausgesucht.
Sie weist ihn zurück, sie – Zitat – tritt seine Männlichkeit mit Füßen. Ihre Mutter Fanny ist liebevoller, mit ihr beginnt Ludovic eine Affäre, im Bordell (!) bespricht er, wie er die beiden Frauen tauschen könnte. Sein Vater, der alte Patriarch, ist allerdings an der charmanten Fanny ebenfalls interessiert.
Versuche, die Filmrechte an diesem guten Stoff über verlorene, wildere Tage zu verkaufen, scheiterten.
Da hat Sagans Sohn die Lücken im Text fürs Buch gefüllt, man weiß nicht, wer was schlampig geschrieben hat. Es blieb bei Szenen, chaotisch aneinandergereiht, Dialoge sind hölzern ... aber der
Ullstein Verlag hat auch eine Neuübersetzung von „Bonjour Tristesse“ im Programm. Ist noch immer von Bedeutung. Und kostet um 2 Euro 10 Cent weniger.
Francoise
Sagan: „Die
dunklen Winkel des Herzens“
Übersetzt von
Waltraud Schwarze und Amelie Thoma.
Ullstein Verlag.
192 Seiten. 20,60 Euro.
KURIER-Wertung: ***
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