Sex ist nicht wichtiger als Leonard Cohens "Suzanne"

Sex ist nicht wichtiger als Leonard Cohens "Suzanne"
Der Schriftsteller Klaus Modick erinnert sich an die ersten Begegnungen mit der Popmusik.

Wenn alle in der kleinen, erst fünf Bücher zählenden „Musikbibliothek“ des Verlags Hoffmann & Campe so über „ihre“ Lieblingspopmusik aus Jugendtagen schreiben wie der Deutsche Klaus Modick, dann wird es langweilig.

Einmal geht.

Einmal ist es recht schön, wenn das Röhrenradio mit dem Magischen Auge eingeschaltet wird. Es ist 1968, Modicks Alter Ego heißt Lukas, er geht in die Schule, er spielt und singt mit seinem Freund in einer Band.

Die Beatles und die Rolling Stones vertreiben etwas vom Mief der Nachkriegszeit – da hört Lukas eine Stimme von einer „Suzanne“ brummen. Er hört nicht den Namen des Sängers, er kann es nicht herausfinden (es gibt kein Shazam-Programm, es gibt ja nicht einmal Handys – ist denn das die Möglichkeit?). Nur Textfetzen bleiben hängen: Wieso sind alle Männer Seeleute, bis das Meer sie befreit?

Erst Monate später, als Lukas zum ersten Mal Sex hat, dreht die ältere Julia nachts ihren Plattenspieler auf: Suzanne! Da ist wieder dieses Lied! Wie heißt er? Leonard Cohen (Foto oben) heißt er.

Klaus Modick, 68, traut sich, Sex zu beschreiben, und man hat streckenweise das Gefühl, das ist ihm viel wichtiger als der kanadische Sänger, Dichter und Songwriter.

Aber jemanden lustvoll in den Finger zu beißen ist nicht interessanter als „Suzanne“ und „So Long, Marianne“.

Frauen (und Männer) kommen und gehen, Cohen wirkt ein Leben lang.

Biografische Romane über Feuchtwanger, Rilke und Eduard von Keyserling machten Modick bekannt. Diesmal hält er sich bei Gitte und Julia und Britta an. Sehr schön, dass er auch ein Gedicht Leonard Cohens präsentiert, das in acht Wörtern und einer Zahl alles über Sehnsucht sagt:

MARITA

FINDE MICH BITTE

ICH BIN SCHON FAST 30

Am besten funktioniert dieses Büchlein, verwendet man es als Schalter, mit dem man sich selbst aufdreht– und dann ist man beim ersten Mal mit Bob Dylan zusammen oder Johnny Cash, Pink Floyd, was weiß ich.

Und von Cohen gibt es wunderschöne Gedichte, mittlerweile als Taschenbuch, Titel: „Buch der Sehnsüchte“, 10,30 Euro.

 

Klaus Modick über Leonard
Cohen:

Musikbibliothek Band fünf. Kiepenheuer & Witsch.
144 Seiten.
10,30 Euro.

KURIER-Wertung: ***

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