Science-Fiction von Raphaela Edelbauer: Eine üble Religion

Science-Fiction von Raphaela Edelbauer: Eine üble Religion
Der kluge Science-Fiction-Roman "DAVE": Künstliche Intelligenz und ein Vakuum des Geistes

DAVE muss noch einiges lernen.

Anstatt im Restaurant den Gast zu bedienen, hat er den Gast zerschnitten und in den Topf mit den Zwiebeln geworfen.

Dem Rinderfilet hat DAVE ein Glas Wein eingeschenkt.

Macht nichts, es ist erst die Testphase. Aber in einem Labor, groß für 120.000 Bewohner, von denen 6.000 rund um die Uhr programmieren – 1. Stock eigene Lebensmittelproduktion, 5. Stock Schulen und Kinos – in dieser Welt, wird ein Computer gefüttert: DAVE.

Die Lösung

Wenn er dann das Wissen der Welt intus hat und sich überall zurechtfindet – und sich auch noch selbstständig weiterentwickelt –, WAS soll er dann leisten?

Er soll die Lösung haben bei Demenz und Krebs, und die Welt draußen vor dem Labor, die – angeblich – nach einer unbekannten Katastrophe nicht mehr bewohnbar ist, soll er wieder schön herrichten. Die Erlösung?

Wird es so nicht geben..

Ein Programmierer soll reales Vorbild des Computers werden. Seine Persönlichkeit, seine Erinnerungen werden hochgeladen. Sein Körper auch? Langsam merkt man, dass sich in der Wissenschaft ein Geistesvakuum breitgemacht hat und es nicht um Befreiung geht, im Gegenteil. DAVE ist kein Gott. Ihn zu erschaffen, ist eine üble Religion.

Sternderln schauen

Erstmals ist der Wunsch groß, neben „Schöne Neue Welt“ und „Fahrenheit 451“ nahezu gleichberechtigt ein Buch mit einer neuen Schreckensvision zu stellen.

Nämlich dieses Buch.

Bei Ian McEwans „Maschinen wie ich“(2019) war das nicht der Fall. Das war zu auf Unterhaltung gebürstet.

Von „DAVE“ wird das niemand behaupten: Beim Finale des Romans sieht man Sterne, als hätte man sich den Kopf angeschlagen.

Ist schon recht so, denn – Zitat aus dem Buch – es ist ein Missverständnis, dass es für alles klare Worte gibt.

Der Mensch

Raphaela Edelbauer (Foto oben) sucht eine Sprache, die noch unberührt ist. Vertrauen kann bei ihr ... eitern. Jede(r) versteht, was das bedeutet.

Sie hat Mut. Das bewies die Wienerin schon mit „Das flüssige Land“ (2019), als die Erde alte Verbrechen nicht verdaute – alles bricht sich einen Weg an die Oberfläche, auch jetzt.

Und auch „DAVE“ sprengt klug alle Schubladen. Technisches über Schaltstellenbündel und Stromimpuls werden mit Philosophie und Neoliberalismus und der Lehre der Gnostiker gemischt.

Das hat einen bisher unbekannten Reiz.

„Künstliche Intelligenz wird uns nicht ersetzen“, sagt Edelbauer im KURIER-Gespräch. „Sie wird uns die kommenden Jahrzehnte beschäftigen, weil sie die Frage stellt, was eigentlich ein Mensch ist. Was zeichnet Würde und Selbstbestimmung des organischen Lebens, also Menschen und anderer Tiere, aus? Das ,Denken‘, die ,Intelligenz‘ wird zu einer quantifizierbaren Anzahl an Rechenoperationen. Aber ich denke eben, dass es so leicht nicht ist. “

Raphaela Edelbauer:
„DAVE“
Klett Cotta.
420 Seiten.
25,70 Euro

KURIER- Wertung: **** und ein halber Stern

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