Neues von Norbert Gstrein, aber keine Nudelsuppe

Neues von Norbert Gstrein, aber keine Nudelsuppe
Er übertreibt im Kammerspiel "Vier Tage, drei Nächte" sein raffiniertes Erzählen

War er nicht eben erst in Texas und Mexiko? Hat man nicht eben erst diesen Roman „Der zweite Jakob“ verdaut?

Norbert Gstrein bzw. sein Erzähler, Elias heißt er, ist sehr mitteilsam. Das geschieht wieder melodiös, und das ist wieder eine Täuschung: Wohlklingend ist nur die Präsentation. Nicht aber, was man im Buch bekommt.

Was bekommt man? Nicht allein Elias’ Psychotherapeutin fragt sich: Wohin führt das alles?

Am besten, man macht sich zu früh keine Gedanken und lässt es darauf ankommen, wie der Roman wirkt. Ob er überhaupt wirkt.

Elias liebt seine Schwester, seine Stiefschwester – der Vater, ein reicher Hotelier in Tirol, hatte nahezu parallel zwei Frauen geschwängert, Elias und Ines haben erst spät von ihrer Verwandtschaft erfahren.

Elias liebt Ines wirklich, und Ines legt sich manchmal, wenn sie mit ihren Liebhabern Zoff hat, zu ihm ins Bett und drückt sich an ihn – da haben wir die nächste Täuschung: Es ist kein „Skandalroman“. Wird es mörderisch?

Elias schaltete die „Verehrer, Bewerber, Idioten“ seiner Schwester aus: Den einen holt er in sein Bett, ein anderer stürzt beim Wandern ab, weil Elias ihn rempelte, unabsichtlich haha.

Beobachtet

„Vier Tage, drei Nächte“ ist ein Kammerspiel zur Zeit des Lockdowns. Bruder und Schwester ziehen zusammen, ein schwuler Freund von Elias ist dabei, man spielt Schach, isst Spaghetti, und ein liebeskranker verheirateter Schriftsteller, den Ines abwechselnd lockt und wüst beschimpft, sitzt vor dem Haus im Auto und beobachtet die Drei.

Identität, Rassismus, Literatur – hinter dem raffinierten Erzählen verstecken sich die Themen diesmal zu gut.

Es ist heitere Abwechslung, dass Elias’ alter Vater, von der Polizei bei seiner Tiroler Corona-Party erwischt wird und den lächerlichsten Spruch des Jahres ruft:

„Ich bin eine Macht und keine Nudelsuppe!“

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Für wen schreiben Sie?

Norbert Gstrein: „ ... Manchmal treffe ich ,in der freien Wildbahn’ auf eine Leserin oder einen Leser und muss aufpassen, dass ich nicht blödsinnig gerührt bin und mir vorzustellen beginne, dass es doch andere Menschen gibt, mit denen ich gegen alle Wahrscheinlichkeit eine Gruppe bilde.“


Norbert Gstrein: „Vier
Tage, drei
Nächte“
Hanser Verlag.
352 Seiten.
27,50 Euro
Erscheint am Montag, 22. August 2022

KURIER-Wertung: ****

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