Es wird (meistens) angenommen, dass er keine „richtige“ Waffe meinte. Bibelforscher sehen im ersten Schwert einen scharfen Geist.
Und das zweite Schwert? Das zweite Verteidigungsmittel könnte Verzeihen sein. Peter Handke gilt zwar als Mann des Krieges ... aber als Dichter des Friedens.
Man wird sehen.
Schön langsam, wie es sich nicht nur für seine Literatur gehört.
Es ist Mai in „Das zweite Schwert“. Es blüht. Auch die Rache blüht. Der Text hat als Rahmen einen geplanten Racheakt. Handke ist kein großer Freund der Journalisten – das heißt: Er ist wie stets im Widerspruch und kann auch, nach Streit, Schwammerlsoße für den einen oder anderen kochen.
Aber Zeitungssprache – „besserwissende, allesdeutende, allesbeurteilende“ – nennt er „das größte Unheil auf dem Erdkreis“.
Jedenfalls ist der Erzähler – man neigt dazu, in ihm Handke zu sehen, eins zu eins, so etwas darf man nie machen, nein, doch macht man es aus gutem Grund (und mit Vergnügen) – er ist jedenfalls wütend auf eine französische Journalistin.
Sie hatte vor Jahren (!) seiner seligen, seiner heiligen Mutter die Ehre abgesprochen, indem sie schrieb: Mutter habe gejubelt, als Österreich dem „Deutschen Reich“ einverleibt wurde.
17 war sie damals.
Dazu eine arge Fotomontage: der Kopf der Mutter und die schreiende Masse auf dem Heldenplatz.
(Randbemerkung: In Malte Herwigs Handke-Biografie liest man über Maria Handke: Sie gehe auf in der neuen Volksgemeinschaft.)
Am liebsten würde der Erzähler jetzt, Jahre nach dem Zeitungbericht, deshalb einen Killer engagieren.
Aber seine Umgebung sagt: Unmöglich, das musst du schon selber machen.
Also begibt er sich auf die Reise, mit Bahn und Bus. Er hat die Adresse, doch steht: Es sei ein Spiel, die Rache sei gar nicht sein Plan, allerdings sei der Plan „auf mich eingeschrieben“.
Vor allem geht es wie oft ums Reisen, Gehen, Insichgehen. Vor allem geht es um den lebenslangen Kampf eines schwierigen Menschen gegen sich selbst.
Dementsprechend dauert es ein ganzes Buch, bis Erzähler / Handke endlich ans Ziel kommt. Vorher lauscht er einem Bach, der – man staune – anders rauscht als die Klospülung.
Vorher beobachtet er das Gras auf Eisenbahnschienen und redet mit sich („Trottel!“ – „Selber Idiot!“).
Es hat schon stärkere Bilder von Handke gegeben. Die Einzigartigkeit bleibt.
Nur er kann sich’s erlauben, Teile des Buchs mit Aufforderungen in der Art „Schau jetzt!“ und „Hör zu!“ einzuleiten – er und, es ist nicht zu verhindern, die beiden Fernsehköche Andi und Alex.
Nein, es ist nicht das Verzeihen, mit dem „Das zweite Schwert“ endet.
An der Endstation findet ein Fest statt, nur Leute, die gut zum Erzähler waren. Er feiert gern mit – und glaubt, in einer Frau, die einem Fußballspiel im TV folgt, die Journalistin zu erkennen.
Er ignoriert sie.
Er gibt ihr – der Namen- und Gesichtslosen – einfach keinen Platz in seinem Buch. Damit existiert sie nicht. Das hält er für die beste Rache.
Fröhlich ist er, erleichtert, und er genießt das Fest. (Unter uns: Er trinkt zu viel.)
Ignorieren ist sehr gut.
Selbst wenn man kein Buch darüber schreibt.
Peter Handke:
„Das zweite Schwert“
Suhrkamp
Verlag.
160 Seiten.
20,60 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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