Monika Helfer setzt ihre Familiengeschichte mit "Vati" fort

Monika Helfer setzt ihre Familiengeschichte mit "Vati" fort
Nach "Die Bagage" wechselt der Roman zu einem Bücherschatz auf der Tschengla bei Bludenz

Der spezielle Seifengeruch aus der Waschküche; und das Geräusch, wie sich Mutti kratzte, bevor sie ihr weißes Nachthemd anzog:

Monika Helfer (Foto oben) erinnert sich besser, wenn sie müde ist und noch nicht schläft, aber schon träumt.

Dann kommt zur Erinnerung, wer weiß, etwas Erfundenes oder Erwünschtes, Erhofftes. Aber das macht gar nichts.

In „Die Bagage“ ist der Vorarlbergerin das Heraufbeschwören so wunderbar gelungen, dass man sich wundern musste, wieso sie 2020 den Österreichischen Buchpreis nicht gewonnen hat.

Jetzt schreibt sie die Familiengeschichte weiter: „Vati“ heißt die Fortsetzung der Lebensessenz: Der Josef wollte immer, dass seine Kinder „Vati“ zu ihm sagen. Nicht Papa; und auch nicht Mama, sondern „Mutti“. Vater Josef hielt es für – modern.

Streicheln, riechen

„Die Bagage“ lebte (auch) vom archaischen Leben im Bregenzerwald. Das fehlt, denn man ist eine Generation vorangeschritten, und als Ersatz ist die Tschengla der Mittelpunkt – das Hochplateau bei Bludenz, auf dem ein Erholungsheim für Kriegsopfer stand.

Der aus Salzburg stammende Vati, dem ein zerschossenes Bein amputiert werden musste, war der Leiter. Oder Hotelier. Hausmeister. Ist doch egal. Jedenfalls gab es eine von einem deutschen Professor gespendete Bibliothek. 1.324 Bücher, meist in Leder gebunden.

Vati hatte als Kind zwar nichts, gar nichts, aber er entwickelte eine innige Beziehung zu Büchern und schrieb „Ivanhoe“ in Heften ab, die er Mitschülern aus der Tasche genommen hatte.

Aus der Bibliothek auf der Tschengla nahm er Bücher nach Hause, er stahl sie gewissermaßen, vergrub sie, gut eingepackt, im Wald (wo sie noch immer liegen könnten, Monika Helfer will nicht nachschauen, Schatz soll Schatz bleiben). Dass etwas fehlte, fiel niemandem auf. Aber als Josef dachte, man merkt es, nahm er Gift ...

Das Kernstück von „Vati“, der Geschichte eines Mannes, der wissen wollte. Der Freude an Buchstaben hatte, Bücher streichelte, an ihnen roch.

Der Rest, mit Tanten und Onkeln, ist etwas anekdotisch geraten und nicht so zwingend wie „Die Bagage“.

Vielleicht kam dies Fortsetzung etwas zu schnell, um sie genauso würdigen zu können.

 

Monika Helfer: „Vati“
Hanser Verlag.
176 Seiten.
20,60 Euro

KURIER-Wertung: ****

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