In Haft mit dem Goncourt-Preisträger Jean-Paul Dubois

Dubois studierte Soziologie und arbeitete zunächst als Sportreporter
Im Roman "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise" ist der Eingesperrte ein Mensch geblieben

Es ist nicht gleich zu merken, wie gut dieser französische Roman ist. Ein Hausmeister sitzt in Montreal im Gefängnis. Und?

Man erfährt sofort: Sein Vater ist tot, seine Ehefrau ist tot, sein Hund ist tot.

Sie kommen ihn trotzdem in der oft nur 14 Grad kalten Zelle besuchen und geben ihm ein bisschen Wärme.

Erst am Schluss weiß man, warum dieser Paul Hansen zu zwei Jahren Haft verurteilt worden ist.

Buntstifte

Seinem Zellengenossen Patrick hat er es gleich verraten, den Patrick mag er, obwohl er ein Killer der „Hells Angels“ ist und die Hälfte aller Menschen und vor allem seinem Zahnarzt halbieren möchte, der Länge nach.

Ist der Zorn verraucht ist, setzt sich der Killer an den Tisch und zeichnet und malt die gezeichneten Flächen mit Buntstiften aus. Manchmal denkt er über die Unendlichkeit nach ...

Es ist das Schmucklose, das so anziehend wirkt. Dass, dem Titel gemäß, jeder von uns die Welt auf seine Weise bewohnt: No, das dürfte bekannt sein.

Aber kein Wort muss man auf die Seite räumen, um zu sehen: Hier ist ein Mensch und bleibt es. Er mag beruflich scheitern, keinesfalls aber als Mensch. Paul Hansen gehört nicht ins Gefängnis. Bestimmt würde er früh auf Bewährung entlassen werden, zeigt er Reue. Tut er aber nicht. Was er machte, war völlig in Ordnung.

Der Roman pendelt zwischen Gefängnisalltag im Angesicht der Klomuschel ohne Deckel und der Lebensgeschichte des Häftlings: Vater dänischer Pastor, Mutter französische Kinobesitzerin.

Sie will den Pornoklassiker „Deep Throat“ spielen, ihr entsetzter Mann geht nach Kanada. Der Sohn folgt. Als Hausmeister hält er die Hände kranker Bewohner und repariert die Heizung und mäht den Rasen. Bis –––

Fadisiert

Jean-Paul Dubois gewann damit den Prix Goncourt 2019. Die Jury rückte das Buch in die Nähe von John Irving. Das ist nicht nachvollziehbar.

Irving ist doch kein Erzähler, der auf Ausschmückung und Tricks verzichtet!

Und niemals hätte er seinem Helden einen Vater mitgegeben, der zwar schön ist, aber nicht nur seine ebenso schöne Ehefrau fadisiert hat.

 

Jean-Paul
Dubois
: „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise“
Übersetzt von Nathalie Mälzer und Uta
Rüenauver.
dtv.
256 Seiten.
22,90 Euro

KURIER-Wertung: ****

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