Feministischer Western: Auf Frauenfeindlichkeit wird geschossen

Feministischer Western: Auf Frauenfeindlichkeit wird geschossen
„Die Gesetzlose“: Anna North schlägt am Hole in the Wall-Pass in Wyoming ihr Lager auf

An Margret Atwoods „Der Report der Magd“ wird man nur ganz kurz denken.

„Die Gesetzlose“ spielt in einer anderen Liga. In keiner weit unten, aber in einer anderen. Anna North (Foto oben), Reporterin der amerikanischen VOX-Nachrichten, hat rund um den Hole in the Wall-Pass in Wyoming ihr Lager aufgebaut.

Hexenverfolgung

Dort, wo sich einst Butch Cassidy und der Sundance Kid nach den Raubüberfällen versteckten. Auch Jesse James lebte zeitweise in einer der Hütten.

Der Wilde Westen. Ein alternativer Wilder Westen. Nicht „Pistols and Petticoats“, kein John Wayne weit und breit, aber auch kein keusches Leben.

So geht die Geschichte: Die „Große Grippe“ tötete an die 90 Prozent der Amerikaner. Was ums Jahr 1890 bleibt, ist eine Gesellschaft, in der es vor allem um Fortpflanzung geht.

Ein Mädchen, das nicht bald nach der Heirat ein Kind bekommt, ist verdächtig. Und wird, wenn dann auch noch eine andere Frau im Ort, oft wegen Röteln, ihr Baby verliert, als Hexe verfolgt. Der Galgen ist rasch aufgestellt.

Ada ist 17. Ihre Mutter ist Hebamme, eine fortschrittliche. Sie ärgert sich über die Abergläubischen, aber: „Wenn ein Mensch etwas glaubt, kann man es ihm nicht einfach nehmen. Du musst ihm etwas zum Tauschen anbieten.“

Sie hat aber nichts zum Tauschen, denn damals war die Ursache der Unfruchtbarkeit unbekannt

Ada muss flüchten – mit ihrem Mann ist kein Baby gelungen, auch der nette, hässliche Typ, der ihr ersatzweise den ersten Höhepunkt verschaffte (Orgasmen sind entscheidend fürs Babymachen, so hieß es) schaffte es nicht.

Keine Mütter

Zunächst findet Ada in einem Kloster Unterschlupf – wie viele in ähnlicher Situation. Dort studiert sie Medizin, und von dort wird ihr von der Oberin der Weg zur Hole-in-the-Wall-Bande ermöglicht. Damit sich Ada „engagieren“ kann.

Auf dem Berg mit dem Loch, wo man sich so gut verteidigen kann, sitzt ein dunkelhäutiger Mann im Schaukelstuhl, er trägt Zylinder und Frack und einen Umhang aus Blumen. Der Anführer. Jemand spielt Geige, jemand tanzt.

Das sind die neuen Gesetzlosen: Frauen, die nicht Mutter werden können. Oder nicht wollen. Die sich nicht an die Gesetze der Fruchtbarkeit halten.

Der, den alle The Kid nennen, ist groß und mächtig ... und doch kein Mann. Nur Frauen sind hier, traumatisierte. Und es werden immer mehr.

So spielt Anna North (ab 25. März 2022 im Handel) mit amerikanischen Mythen, so schießt sie auf Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Quacksalberei. Und lächelt dabei – aber nur, wenn es passt.

Ada wird die Ärztin und Bombenbauerin der Bande, die raubt und mordet, Gutes beabsichtigt, aber dazu kommt es nicht.

Nur (unnötig) vorsichtig deutet die Autorin an, dass es auch lesbische Bandenmitglieder gibt.

Niemand reitet am Ende in die untergehende Sonne.


Anna North:
„Die Gesetzlose“
Übersetzt von
 Sonia Bonné.
Eichborn
Verlag.
336 Seiten. 22,95 Euro
Erscheint am 25. März 2022

KURIER-Wertung: ****

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