Entdeckung aus dem Jahr 1924: "Johanna" half das Glück nicht

Entdeckung aus dem Jahr 1924: "Johanna" half das Glück nicht
Der Roman des Filmkritikers Fritz Rosenfeld: Es geht immer nur um das "Verlangen der Leiber"

Schon seit den Jahren vor Christi Geburt nerven Sprichwörter wie „Den Tüchtigen hilft das Glück“ bzw. später dann, Goethe war’s: „Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.“

Deshalb ist „Johanna“ notwendig. Unendlich traurig, aber als Gegenstimme notwendig, weil chancenlos.

Fritz Rosenfeld - Foto oben - hat von ihr erzählt. Rosenfeld war in Wien DER Filmkritiker der 1920er, 1930er Jahre. Überzeugt war er, dass Filme die Welt verändern können. (Hollywood eher nicht.)

Rosenfeld war auch überzeugt, das Publikum könne das Programm ändern: Warum klatscht oder zischt es nicht?

„Es sitzt still, geht schweigend aus dem Kino, und schimpft erst hinterher, wie schlecht der Film war, die Musik, die Vorführung. Könnte man das Wiener Publikum dazu bringen, einen Film, der ihm nicht gefällt, auszupfeifen, dann stünde es besser um unsre Kinospielpläne.“

Eine Auswahl seiner Texte ist im Verlag Filmarchiv Austria erschienen.

Vollwaise

Den Fortsetzungsroman „Johanna“ schrieb er im Alter von 22 Jahren. Abgedruckt hat ihn 1924 die sozialdemokratischen Zeitung Salzburger Wacht.

Nun kann man sagen: Bissl zu theatralisch, vor allem am Schluss, da hat sich der junge Autor mit den Gefühlen nicht eingebremst.

Man kann aber auch sagen: Wie er durchzieht, so früh lebensklug, wie intensiv die Bilder sind, die er zeigt – das ist es wert, entdeckt / wiederentdeckt zu werden.

Johanna: Mit vier Jahren Vollwaise, vom Dorf mit Erdäpfeln durchgefüttert, dann als billige Arbeitskraft gehalten , auf den Feldern von Früh bis spät, zur Dumpfheit gezwungen. Der Pfarrer sagt: „Sei genügsam, nicht jeder Mensch trifft es so gut.“

Ein Riss

Magd, Dienerin; vergewaltigt, geschwängert, der Pfarrer sagt: „Der Teufel hat dich verlockt.“

In die Stadt verstoßen, und wieder missbraucht, von Männern und Frauen ... längst ging ein Riss durch ihre Seele, denn Johanna hat begriffen, dass alles sich um das „Verlangen der Leiber“ dreht – Essen, Schlafen, Lieben. Man kauft, was der Leib braucht. Und wenn’s geht, prellt man den Verkäufer.

Es ist nicht schwierig, diese Geschichte an die heutige Zeit anzupassen. Als Johanna mit ihrem Kind auf der Straße zusammenbricht, sagt ein Passant: „Soll doch arbeiten gehen. Muss auch arbeiten. Faules Pack.“


Fritz Rosenfeld:
 „Johanna“
 Nachwort von Primus-Heinz Kucher. Edition Atelier.
176 Seiten.
20 Euro

KURIER-Wertung: ****

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