Max und Eleonora statt Romeo und Julia
Verfolgt man die Biografie dieser Frau, wundert man sich, bisher so wenig von ihr gehört zu haben. Denn seinerzeit hat alles im Leben der Eleonora von Mendelssohn Aufsehen erregt. Neben ihren vier Ehen war die begabte Schauspielerin auch die Geliebte Max Reinhardts, Arturo Toscaninis und die Freundin Marlene Dietrichs. Abgesehen davon, besaß Eleonora eine Kunstsammlung, die von Rembrandt über van Gogh bis Toulouse-Lautrec reichte.
Historische Quellen
Der Autor Hubert Nowak hat das Leben der Eleonora Mendelssohn anhand historischer Quellen penibel recherchiert und um fiktive Szenen angereichert. Eleonora war die Tochter einer protestantischen Berliner Bankiersfamilie mit jüdischen Wurzeln. Sie wuchs im Kreis berühmter Menschen auf, die im Palais ihrer Eltern verkehrten, darunter die Tänzerin Isadora Duncan, die Physiker Max Planck und Albert Einstein. Diese Erfahrungen sollten ihr später an der Seite großer Männer von Nutzen sein.
Engagement in Wien
Ein anderer Gast im Salon der Familie Mendelssohn war Max Reinhardt, dessen Berliner Theaterimperium von Eleonoras Vater finanziert wurde. Der Regisseur begeisterte sie für die Bühne und für sich selbst, sie himmelte ihn an und beschloss, Schauspielerin zu werden.
Reinhardt holt sie nach Wien, an sein Theater in der Josefstadt. Nach zwei kleinen Rollen soll sie hier die Julia in Shakespeares Liebesklassiker spielen. Der berühmte Regisseur bringt der jungen Schauspielerin das Rollenbuch persönlich ins Sacher, in dem sie eine Suite bewohnt. Beide sind zu diesem Zeitpunkt verheiratet, Reinhardt zusätzlich mit der Schauspielerin Helene Thimig liiert.
Und doch passiert es. Die Liebesszene im Sacher gehört nicht Romeo und Julia, sondern Max und Eleonora.
Die Begegnung bleibt nicht ohne Folgen. „Romeo und Julia“ wird abgesetzt, Eleonora erwartet ein Kind, das in der Darstellung des Autors Hubert Nowak nicht geboren wird.
Eleonora setzt ihre Theaterkarriere erfolgreich fort, auch bei Reinhardt und den Salzburger Festspielen, und sie weiß das Leben in den wilden Zwanzigern in vollen Zügen zu genießen – mit viel Alkohol, Drogen und Medikamenten.
Die Bankierstochter lernt Marlene Dietrich kennen und lädt den im Film „Der blaue Engel“ eben erst weltberühmt gewordenen Star in ihr Schloss Kammer am Attersee ein, in dem es zur ersten erotischen Annäherung kommt, die später noch vertieft wird.
Die Erfüllung
Hitlers Machtergreifung zerstört Eleonora Mendelssohns weitgehend sorgenfreies Leben, sie flüchtet in die USA, trifft dort wieder Max Reinhardt und die Dietrich, aber auch den italienischen Dirigenten Arturo Toscanini, der sie immer schon faszinierte. Nach einem Konzert packt die wesentlich ältere Herren bevorzugende Eleonora die Gelegenheit beim Schopf und landet im Bett des Maestros, in dem sie „die Erfüllung des so lang Ersehnten“ erlebt.
Gegen Ende des Krieges verführt Eleonora noch das extravagante Universalgenie Noël Coward, seines Zeichens Dramatiker, Regisseur, Komponist, Schauspieler und Oscar-Preisträger. Für die Berlinerin die letzte prominente Eroberung.
Und weil ihr ganzes Leben so Aufsehen erregend war, musste wohl auch ihr Tod Aufsehen erregen: Eleonora wird am 24. Jänner 1951 in ihrem Appartement in Manhattan von ihrer Wirtschafterin tot aufgefunden. Ob es Mord oder Suizid war, konnte nicht geklärt werden.
Hubert Nowak: „Eleonora“, Braumüller, 511 Seiten, 28 Euro
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