Der lustigste Roman über einen Universitätsprofessor

Der traurigste Campus- bzw. Universitätsroman:
„Stoner“ von John Williams. Der langsame Tod eines großen Herzens.
Der lustigste:
„Mittelalte Männer“ von Richard Russo. So versteckt weise (das auch noch), so brillant erzählt, dass der 72-jährige New Yorker einer der amerikanischen Kandidaten für den Nobelpreis ist / sein muss / sollte / könnte.
Die West Central Pennsylvania State University in der fiktiven Kleinstadt Railton ist eine drittklassige Hochschule.
Die Lehrenden stehen dem in nichts nach.
Ins Gesicht
William Henry Devereaux jr. ist Englischprofessor. Er nimmt nichts ernst, immerhin auch sich selbst nicht. Ist seine Frau weg, weil sie sich um ihren alkoholkranken Vater kümmert, ist bei ihrem Mann mit Krankenhaus oder Gefängnis zu rechnen.
Williams Hund fährt Besuchern immer mit der Schnauze hart in den Schritt, sodass sie es sind, die jaulen.
William macht’s ähnlich und fährt Freund und Feind mit dem Hintern ins Gesicht.
Er stichelt, er papierlt alle, und während Kolleginnen und Kollegen Angst vor Kündigungen haben, witzelt er sich durchs Unileben.
Prof. Rourke würde ihn am liebsten mit dem Baseballschläger umbringen – aber gut, die Aggressionen haben vermutlich vor allem damit zu tun, dass der Arme englische Lyrik des 18. Jahrhunderts unterrichten muss.
Kriselnde 49 ist William. Ein Kindskopf, ein Störenfried, Sohn angesehener, aber eiskalter Eltern.
Tägliche Ente
„Was willst du eigentlich?“, fragt der Dekan.
Pinkeln will er! Das gelingt in letzter Zeit nämlich nicht so gut.
„Kannst du halten?“, fragt ihn deshalb später der Urologe. Er bemüht sich.
Sein Problem ist ja ganz grundsätzlich: Alles lässt er raus.
William ist Bereichsleiter fürs Fach Anglistik, und weil es immer noch kein Budget fürs nächste Studienjahr gibt und gerade ein TV-Team da ist, setzt er sich eine Faschingsnase auf, packt die einzige Campus-Gans an der Gurgel und kündigt an, jeden Tag eine der vielen Campus-Enten zu töten, wenn nicht endlich zusätzliche notwendige Einführungskurse finanziert werden.
Er fordert Geld „in Form unmarkierter Scheine!“
Der Fernsehbericht entspannt die Lage nicht besonders. Noch dazu wird tatsächlich jeden Tag eine Ente aufgehängt ...
Richard Russo, Pulitzer-Preisträger, sollte schön langsam in Österreich als Schriftsteller angekommen sein, auf dessen Bücher man wartet wie auf den nächsten Roman von ... naja, Philip Roth ist tot.
Die Universität ist – obwohl Russo an US-Unis Literaturprofessor war – sonst nicht sein Revier. (Kleinstädte sind es mit den Problemen der Mittelschicht.)
Das Lachen steht bei ihm sonst nicht im Vordergrund.
Wichtig ist ihm immer, dass keine einzige Plastikfigur in seinen Kammerspielen vorkommen. Wichtig ist, dass man gewarnt wird: Das Leben ist vorbei, bevor man es erfassen kann.
Richard Russo:
„Mittelalte Männer“
Übersetzt von
Monika Köpfer.
DuMont Verlag.
608 Seiten.
26,95 Euro
KURIER-Wertung: *****
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