Damon Galgut holte ganz Südafrika in eine windschiefe Hütte

Damon Galgut holte ganz Südafrika in eine windschiefe Hütte
Höchstwertung für „Das Versprechen“ des aktuellen Booker-Preisträgers

Damon Galgut macht es nicht viel anders als Fellini, von dem er eine Anekdote voranstellt:

Fellini begegnete einer Frau mit einer goldenen Nase, die mit einem Affen in einem Cadillac saß. Sie fragte: „Warum gibt es in Ihren Filmen nicht einen einzigen normalen Menschen?“

Beim Südafrikaner Galgut ist es keine goldene Nase und kein Affe.

Es ist z. B. die Apartheid, die nicht normal ist. Es ist der 24-Jährige, der im Bett liegt und sich an seinen drei Lieblingsbriefmarken begeistert: Sie zeigen Hendrik Verwoerd und sind kurz nach dessen Ermordung 1966 herausgebracht worden.

Verwoerd war der Architekt der Apartheid.

Er hatte das System entwickelt, das bestimmte Bürger entmenschlichte.

Es gibt noch Verehrer.

Obwohl wertlos

Für „Das Versprechen“ wurde der Südafrikaner Damon Galgut im November mit dem Booker Prize für den besten englischsprachigen Roman 2021 ausgezeichnet. Gratulation, auch der Jury.

Mithilfe einer windschiefen Hütte, nackt der Estrichboden, wackelig die Treppe, entwickelt Galgut nicht nur die Familiengeschichte der Swarts:

Ganz Südafrika steckt drinnen, 40 Jahre Geschichte, nur so beiläufig erzählt. Das Unvermögen der Weißen, auf Privilegien zu verzichten, steckt drinnen. Auch wenn es um etwas noch so Wertloses geht – sie sind im Bewusstsein aufgewachsen, alles gehöre ihnen.

„Wie gibt man das auf?“, fragt Damon Galgut. „Das ist nicht einfach.“

Ma lag monatelang im Sterben, gepflegt von der – schwarzen – Haushälterin Salome, während sich alle davor gedrückt haben.

Wieder vergessen

Ma rang ihrem Mann das Versprechen ab, Salome als Dank das Eigentum an dem Nebengebäude der großen Farm (mitsamt dem bissl Land) zu übertragen, in dem sie mit ihrem Sohn wohnt. Damit Salome Sicherheit hat. Die jüngste Tochter hat mitgehört; und pocht erfolglos darauf, dass Pa sein Versprechen hält.

Es ist das Jahr 1986. Pa kann sich darauf ausreden, dass Schwarze gar keinen Grund besitzen dürfen.

Nun scheint ein Fluch auf den Swarts zu liegen. Kapitel für Kapitel wird die Familie kleiner. Als Pa von einer Kobra gebissen wird, ist Nelson Mandela Präsident. Beim Aufteilen des Erbes wird trotzdem wieder auf Salome vergessen, absichtlich:

„Einem Dienstmädchen Land schenken! So weit kommt’s noch!“

Die Erzählstimme in „Das Versprechen“ hat notwendige Ironie. Sie sagt uns: Niemand ist immer moralisch einwandfrei. Für eine etwa gerechtere Gesellschaft hätten allerdings auch die Swarts sorgen können.

Denn: Normal ist das Benehmen nicht. Oder doch.


Damon
Galgut:
„Das
Versprechen“
Übersetzt von Thomas Mohr.
Luchterhand Verlag.
400 Seiten.
24,95 Euro

KURIER-Wertung: *****

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