Christoph Heins "Narrenschiff": Wenn im Leben nur die Partei zählt

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Christoph Hein entwirft ein ernüchterndes Panorama der seelenlosen DDR

Was ist das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann? Der Tod des eigenen Kindes? Eine unheilbare Krankheit?

Für den ehemaligen Nazi-Funktionär Johannes Goretzka, der in der DDR so unbedingt Karriere machen will, ist es ein großer Parteitag, auf dem er als Schädling bezeichnet wird. Goretzka macht diese Kränkung, so heißt es im „Narrenschiff“, „zu einem gebrochenen Mann“, dessen „kaum ausgeprägte Lebenslust“ schwindet und zerrinnt. Man kann sich Goretzka als mürrisch-graue Person vorstellen. Und vielleicht ist genau das die Absicht von Christoph Hein, dessen Narrenschiff das deutsche Feuilleton als „enzyklopädisches Panorama der DDR“ feiert.

Ja, es ist alles da: Die Aufstände, der Mauerbau – und das Ende 1989: Die großen Umbrüche der ostdeutschen Diktatur bilden die Kulisse, in und vor der Hein seine Geschichten erzählt.

Die Protagonisten stolpern durch ihr Leben, wobei es bei allen und allem, ob privat oder beruflich, nur um die eine Frage geht: Was sagt die Partei dazu? „Man darf sich irren – aber nie gegen die Partei“, lässt Hein eine der Hauptfiguren sagen. „Man darf nie gegen die Partei recht haben“, denn: „Sie allein hat immer recht.“ Wollte man am Narrenschiff etwas aussetzen, dann allenfalls den Umstand, dass die Darsteller der Handlung ausnahmslos in der Nomenklatura angesiedelt sind. Physisch wird im Roman deshalb überraschend wenig gelitten. Trotzdem sind alle unglücklich. Freiheit und Gefühle, Empathie oder Humor. Die Partei interessiert derlei nicht. Also nichts, was Menschen ausmacht.

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Christoph Hein
„Das Narrenschiff“
Suhrkamp, 750 Seiten, 
29,95 Euro