Christine Wunnicke über die Neuvermessung der Welt

Christine Wunnicke über die Neuvermessung der Welt
Die Münchnerin war mit "Die Dame mit der bemalten Hand" im Finale um den Deutschen Buchpreis 2020

Das war einmal, dass die alten Deutschen Gauß und Humboldt die Welt vermessen haben (bei Daniel Kehlmann, 2005).

Das machen jetzt der Mathematiker Carsten Niebuhr – historische Figur – und der persische Astronom Musa al-Lahuri, Mixtur aus verwehten Biografien.

Das machen sie auf der Insel Elephanta bei Bombay im Jahr 1764. Die Münchnerin Christine Wunnicke (Foto oben) war gewissermaßen dort, in den Höhlen mit den Götterstatuen und Affen und Bettlern (heute Weltkulturerbe).

Von ihr ist noch jedes Buch im Gedächtnis geblieben: „Nagasaki, ca. 1642“, „Der Fuchs und Dr. Shimamura“, „Katie“ – trotzdem wurde sie zu oft übersehen. Der Kopf ist jedenfalls beim Lesen immer freudig erregt.

Himmel und Erde

„Mathematicus“ Niebuhr, auf Erkundungsreise, um die Bibel zu erforschen (z. B. wo genau wurde das Meer geteilt?) sitzt in der Höhle und vermisst die Eckzähne des indischen Gottes Shivas. Dann bricht er zusammen. Malaria. Auch Meister Musa hat seine Reiseroute verlassen, selbst verwundert, dass er nicht in Mekka, sondern auf dieser Insel ist.

Niebuhr ist jung, Musa ist alt und g’scheiter. Musa hilft.

Jugend und Alter. Morgenland und Abendland. Himmel und Erde ... die beiden Forscher reden aufs Schönste aneinander vorbei. Vor allem hat Christine Wunnicke einen Weg gefunden, wie sie in deutscher Sprache die auf Arabisch gehaltenen Gespräche festhält.

Der Deutsche Niebuhr kann verständlicherweise kein besonders gutes Arabisch; So kommen Formulierungen zustande wie: Jemand lügt wie gestempelt.

Die Männer beobachten einander, als läge ein Ozean zwischen ihnen. Erst wenn sie in den Himmel schauen, kommen sie einander näher, weil sie zumindest den großen Unterschied ihrer Welten erkennen.

Der Europäer sieht im W der Sterne das Bild der Kassiopeia, der Araber hingegen sieht nur die bemalte Hand einer großen Dame, die den halben Himmel umspannt.

So schaut man hilflos nach oben, betrachtet ein und dasselbe und sieht trotzdem verschiedene Bilder.

 

Christine
Wunnicke:

„Die Dame mit der bemalten Hand“
Berenberg Verlag.
160 Seiten.
22,70 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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