Buchkritik: Katharina J. Ferner und "Der Anbeginn"

Buchkritik: Katharina J. Ferner und "Der Anbeginn"
Nur weil ein Mensch tot ist, muss er nicht tot aussehen: Über Anfang und Abschied in einem archaischen Dorf

Als das Mädchen zur Welt kam, starb die Großmutter. Der Fährmann brachte sie, wie er das immer macht, gegen einen Obolus über den Totenfluss in die Unterwelt.

Normalerweise haben die Toten unter der Zunge eine Münze für ihn.

Großmutter wirft ihm das Geld in die Luft. Sie ist, sobald sie im Boot liegt, fit.

Und als ihre Enkelin sieben wurde, war die Großmutter wieder bei ihr. Sie kämmte sich, denn: „Nur weil ich tot bin, heißt das noch lange nicht, dass ich auch so aussehen muss!“

Großmutter war erst knapp über 50, als sie der Fährmann geholt hatte. Aber es ist Gesetz: Wenn eine kommt, geht eine.

Neubeginn und Abschied.

Das ist Gesetz in dem archaischen Dorf, das die Salzburgerin Katharina J. Ferner (Foto oben) zum Schauplatz machte.

Man wird die morbide Atmosphäre noch lange nach dem Ende spüren.

Kein Geld

Ein Mädchen wird erwachsen. Im Kern ist es das. Es wird geboren, und obwohl es verhindern will, selbst ein Kind zu bekommen, weil dann ihre Mutter verschwinden muss, wird sie ungewollt schwanger. Und will das Baby. Trotzdem.

Das ist nicht selbstverständlich. Die Engelmacherin hat viel zu tun. So wird sie offen genannt. Es ist ein Beruf wie etwa der fahrende Händler, der Geschnitztes bringt.

Es muss ein großes Dorf sein. So viel wird gestorben. Aber es ist bloß ein seltsames Dorf mit Abgründen. Mit Spinnen und Käfern. Die gehören dazu. Eine Schule gehört nicht dazu.

Es ist eine Gesellschaft ohne Geld, die Bäckerin gibt Brot und bekommt Beerensaft. Einem Flüchtling stellt man selbstverständlich täglich Essen vor die Tür. Der Vater der Erzählerin ist Maler. Er verschenkt seine Bilder, denn in der Scheune schaut sie niemand an. Er weint nicht, als seine Frau tot ist. Niemand weint hier.

Manchmal ist wenig Bewegung im Roman. Das ist nicht gut. Das ist gut, denn die Bilder, die ins Buch gehängt wurden, wollen länger angeschaut werden.

Interpretiert wollen sie nicht werden! Dagegen scheinen sie sich sogar zu wehren. In diesem Fall erkennt nur, wer nicht versteht.

 

Katharina J. Ferner:
„Der Anbeginn“
Limbus Verlag.
224 Seiten.
22 Euro#KURIER-Wertung: ****

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