Buchkritik: Ali Smith über den "Herbst"

Man kann bereits mit einem um fünf Millimeter zu kleinen Gesicht im Leben scheitern.

Und wenn man noch gar nicht weiß, dass es um die Vergänglichkeit geht, wird man sehr rasch an jene Stelle im Buch kommen, an der sich ein alter Mann fragt: „Gibt es nach dem Tod noch eine Mutter?“

Damit hat Ali Smith gewonnen. Sie gewinnt mit jedem ihrer Romane. Man beachtet sie nicht genügend.

Leben, Lesen

„Herbst“ steht am Beginn ihres Jahreszeitenquartetts. Die Schottin schafft es schön verspielt zu zeigen, wie wir vergehen.

Verspielt, indem sie eine 32.jährige schon bei der Kleinigkeit scheitern lässt, ihren Pass zu verlängern – ihr Gesicht auf dem Foto ist um fünf mm zu klein ... während ihr einstiger Wohnungsnachbar (und Babysitter und Freund), der 101-jährige Mr. Gluck im Pflegeheim liegt und schläft und träumt und sich – noch nicht verabschiedet von ihr. Der scheitert beim ganz Großen noch nicht.

Ein intensiver Herbst wird das, man fürchtet beim Lesen bereits Ali Smith’ „Winter“. So anders schreibt sie über das flüchtige Leben, die Rückblicke auf Gespräche zwischen dem immer schon Alten und der Jungen geraten zu kurzen Erzählungen übers Lesen, Lieben, Leben.

 

Ali Smith:
„Herbst“
Übersetzt von
Silvia Morawetz.
Luchterhand Verlag.
272 Seiten. 22,70 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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