Benedict Wells' neuer Roman: Ein fröhlicher Tanz mit Tränen

Benedict Wells' neuer Roman: Ein fröhlicher Tanz mit Tränen
Über eine Jugend mit Liebe und Tod in den amerikanischen 1980-ern: Ein Tumor darf nicht fehlen

Gierig wird auf den nächsten Roman gewartet: Benedict Wells - Foto oben -  ist einer der wenigen Autoren, auf die es zutrifft. (Auf neue Erzählungen von ihm wartet man hingegen eher nicht – der 2018 erschienene Band „Die Wahrheit über das Lügen“ war uninteressant.)

In „Hard Land“ setzt der 36-jährige Münchner fort, womit er zuletzt nahezu Angst bereitet hat: Wells beherrscht seine Leser.

Er findet die richtigen Wörter, um starke Gefühle auszulösen. Das geht bis zum Schluchzen. In „Vom Ende der Einsamkeit“ hat er das erstmals bewiesen, freilich mit besten Hilfsmitteln: Krebs, tödlicher Verkehrsunfall, Internat , Außenseiter ...

„In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb.“

Mit diesem ersten Satz im Roman ist fast alles verraten. Das macht nichts, weil es um den Sound geht. Es ist unnötig, dass Wells hinten im Buch auflistet, welche Musik zu „Hard Line“ passt – Simple Minds etwa mit „Don’t You“.

Lieber in Amerika

Man braucht gar keine zusätzliche Musik. Das Umschlagen von Emotionen beim Erwachsenenwerden ist Flöte, Cello, Tschinelle. „Alles geschah gleichzeitig“, sagt Benedict Wells aus eigener Erfahrung. Ein Tanz mit Tränen in den Augen. (Ultravox sang darüber 1984.)

„Hard Line“ erzählt von einer Jugend in Missouri, 1985. Das ist zwar nicht das Land und die Zeit des Autors, aber er kennt sich gut aus – dank vieler amerikanischer Filme wie „Breakfast Club“, „Stand By Me“ und „Zurück in die Zukunft“ ...

Der Erzähler (Sam) wird gerade 16, er jobbt im Sommer in einem fast leeren Kino im Ort, er ist schüchtern und einsam und sympathisch. Mit seinem Vater kann er überhaupt nicht, der brummt bestenfalls, und freilich ist auch das ein Thema: Warum der Vater so ist, wie er ist. Mit der Mutter kann er.

Könnte er.

Seine erste Liebe ist die etwas ältere Kirstie: Ihre Zahnspange, so erfährt man, leuchtet im Licht der Lampions einer Tanzveranstaltung. Gemeinsam wird das Gefühl erörtert: dass man euphorisch ist und auch melancholisch, weil der Moment nicht festzuhalten ist. Deshalb wird ein neues Wort gemixt: Euphancholie.

In diesem Wechsel gestaltet sich das ganze Buch.

Beim nächsten Mal bitte ohne Tumor.

 

Benedict Wells:
„Hard Land“
Diogenes Verlag.
352 Seiten.
24,70 Euro

KURIER-Wertung: ****

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