
© Kurier/Gilbert Novy
Barbara Frischmuth: Mutter soll tanzen und nicht immer traurig sein
In den neuen Erzählungen werden fünf Frauen begleitet, die sich nicht unterkriegen lassen wollen
In der Schule schreibt ein Bub Gedichte, sie sind ganz kurz. Eines geht so:
„Dein Schatten tanzt in der Küche.“
Wen er mit dem Schatten meint, wird er gefragt. „Meine Mutter. Ich möchte, dass sie tanzt und nicht immer traurig ist.“
(Und dein Vater? „Ist auf der Flucht im Meer ertrunken.“)
Mutter, Großmutter, Alte, Junge... Barbara Frischmuth schreibt über Frauen. Über Männer, betont sie immer, werde genug geschrieben.
Unter ihren fünf Erzählungen sind hochdramatische Schicksale. Da kann zum Schluss eine Autofahrerin etwas suchen und aus der Spur kommen. Oder es sind zu viele Schlaftabletten, mit denen Frischmuth eine Geschichte beendet.
Mit Ziegen
Sie wirft einigen ihrer „Heldinnen“ Hindernisse vor die Füße, mit denen man nicht rechnen konnte. Über einige kann man unmöglich springen. Zumindest eine Geschichte, die Flucht vor einer Zwangsheirat, wirkt dick aufgetragen.
Die Erzählung mit Frau Treibenreif, die nicht ins Heim, sondern mit ihren beiden Ziegen spazieren gehen will, ist hingegen unspektakulärer.
„Bist du eine Hexe?“ fragen die Kinder.
„Wenn ihr mir ein paar Warzen und einen Besen bringt, vielleicht.“
Barbara Frischmuth weiß nie, wohin sie der Weg beim Schreiben führt. Ihr geht es demnach wie den Frauen im Buch. Sie begleitet z.B. Doris, die ihr Kind im sechsten Monat der Schwangerschaft verlor.
Und Doris’ Verlobter springt vor der Hochzeit ab, mit der schriftlich abgegebenen Begründung, sein Gefühl sage ihm, „dass sie zu unterschiedlicher Natur seien, um den Anforderungen einer Ehe standzuhalten.“
Und dann schauen wir gemeinsam, Autorin und Publikum, was das weitere Leben für Doris zu bieten hat.
Zunächst Pflanzen und Fische (so viel darf noch verraten werden).
2019 erschien Barbara Frischmuths „Verschüttete Milch“, fast autobiografische Erinnerungen der Schriftstellerin, die am 5. Juli 80 wird, an Altaussee, an Omama und Opapa. Man war diesem Roman hilflos ausgeliefert.
Das klappt bei „Dein Schatten tanzt in der Küche“ nicht gar so gut.
Barbara
Frischmuth:
„Dein Schatten tanzt in der
Küche“
Aufbau Verlag.
224 Seiten.
20,90 Euro
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