Leif Randts neuer Roman: Die Rettung wartet in der Designerhose

Frankfurter Buchmesse 2024
Zum heutigen Start der Frankfurter Buchmesse präsentiert Leif Randt seinen neuen Roman. Es ist eine beglückende Lektüre.

Am Schluss ist man dann eigentlich davon überzeugt, dass die Welt wohl nur gerettet werden kann, wenn wir alle einen belastbaren Geschmack bezüglich Designerhosen entwickeln.

Das klingt vielleicht ein wenig überspannt. Aber ist es eigentlich nicht.

Leif Randt ist so etwas wie der Geschmacksträger der deutschsprachigen Literatur. Er hat mit „Allegro Pastell“ in die Pandemie hinein einen Roman geliefert, der die Menschen, die noch lesen, auf eine ganz eigentümliche Art beglückt hat. Und er schafft das mit „Let’s Talk About Feelings“ (Kiepenheuer & Witsch, 320 S., 24,70 €), das auf der heute startenden Messe zurecht als ein Buch der Stunde herumgereicht werden wird, erneut.

Handverlesen

Die Geschichte von Marian, der eine Boutique mit Mode – halbwegs erschwingliche Designerstücke und handverlesene Vintagekleidung aus dem Großhandel – betreibt, ist nämlich eine Bestandsaufnahme einer Gegenwart, wie sie nicht ist und wie sie vielleicht auch nicht sein sollte. Aber einer Gegenwart, die jedenfalls besser wäre als das, was derzeit so los ist.

Es ist nämlich eine Gegenwart, die sich an gesicherten Geschmacksurteilen messen muss. Also ganz sicher nicht die unsrige, in der auch kluge Menschen zunehmend den Hut draufhauen und sich den ordinärsten Dingen wie der Dreckablagerung in den sozialen Medien oder in Kommentarforen hingeben, ohne sich dafür zu genieren oder auch nur zu hinterfragen.

Und auch nicht jene dumpfe Politikgegenwart, in der die Drehorgel der Konservativen beim Klagelied über die Cancel Culture hängen geblieben ist, und in der die Linken ihnen dafür folgsam dumme Melodien liefern.

Marian und seine Familie – dazu zählen zuvorderst die nahen Freunde – gehen vielmehr auf eine informierte Art durch die komplizierte Gegenwart, die keine Liebe für derartige Nachlässigkeit im Denken und im Sein, im Inneren und im Äußeren übrig hat. Und da geht in einem Jetzt, das von allen Seiten möglichst verdunkelt wird, ein erfreuliches, sehr heutiges Geisteslicht auf. Man wird beim Lesen ein wenig süchtig danach (und ja, Marian und seine Leute bewerten auch diverse Drogentrips auf geschmackssichere Art). Es ist ein Spiel der Relationen, abgehandelt am Thema Mode. Da muss man nämlich jene Stücke finden, die ein Statement abgeben, das andere abholt, aber nicht so sehr, dass man nur einem allgemeinen Trend aufsitzt, sinniert Marian. Das gilt natürlich auch für alles andere im Leben: „Let’s Talk About Feelings“ ist ein Stück darüber, sich im Heute auszukennen und dieses Auskennen auch konsequent anzuwenden.

Die Arbeitshypothese: Die Welt wäre eine bessere, wenn sie nach ästhetischen Urteilen geordnet wäre. Sie wäre auch, wie im Buch, auf schlüssige Art verschoben. An der Macht wäre wohl eine Kanzlerin, die das längst aus der Zeit gefallene Rechts-links-Schema hinter sich lässt und stattdessen versucht, die technologische Zukunft, die alles umkrempeln wird, zu gestalten (man wünscht jedem ideologiefaulen Politiker, jedem in überholtem Eingelerntem gefangenen Entscheidungsträger dieses Landes die Lektüre dieses Buches).

Und auch der große deutsche Automobilkonzern würde kein Boomerbrummer-Hersteller mehr sein wollen. Sondern sich Marian als Kurator an Bord holen, um dank Kunst heutige Glaubwürdigkeit anbieten zu können.

Marian ist Sohn zweier Medienfiguren, eines Models und eines Nachrichtensprechers. Er ist also auch ganz körperlich die Überführung einer einst an Bildern geordneten Welt in die Gegenwart (bzw. zart in die Zukunft, das Buch spielt 2026).

Der Text ist dabei alles andere als elitär: Man fragt sich eigentlich eher, warum nicht alle so durchs Leben gehen wie Marian. Und am Schluss steht eine der knirschendsten Sexszenen, die man seit Langem gelesen hat. Es wird dabei an der Designerhose ausführlich herumgefummelt. Denn in dieser wartet die Rettung der Welt.

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