"Borda" von Lia Rodrigues: Wenn Kleidung zum Ballast wird
"Borda" von Lia Rodrigues bei den Wiener Festwochen
von Silvia Kargl
Verwandlungen mit Stoffen und Kostümen stehen im Zentrum von Lia Rodrigues’ neuem Stück „Borda“ bei den Wiener Festwochen in der Halle E im MuseumsQuartier. „Borda“ steht im Portugiesischen sowohl für Stickerei und Dekoration als auch für eine trennende Grenze.
Grenzgänger sind die Tänzer von Rodrigues’ Companhia de Danças. Berühmt wurde die Companhia nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit der Favela da Maré als erfolgreiches Kunstprojekt mit angeschlossener Tanzschule für sozial benachteiligte und vernachlässigte Menschen eines Armenviertels der Millionenmetropole Brasiliens.
Wie in Zeitlupe
Anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Companhia de Danças wählte Rodrigues Stoffe und riesige Plastikfolien aus vergangenen Stücken. Sechs Tänzer und drei Tänzerinnen interpretieren sie neu, wobei insbesondere der erste Teil ohne Musik und mit reduzierter Körpersprache eine große Kraft entwickelt.
Begleittöne entstehen durch Bewegungen und Materialien. Fast wie in Zeitlupe führt Rodrigues in ihr Stück, das die Gesichter lange Zeit verhüllt lässt. Die Körper sind von weißen bis beige-grauen Stoffmassen umgeben, die scheinbar grenzenlos neue Skulpturen entstehen lassen. Das in den Tanzproduktionen der Wiener Festwochen 2025 oft vertretene Genre der „Lebenden Bilder“ erfährt hier mit einer meditativen, dennoch effektvollen Choreografie eine fantasievolle Umsetzung.
Grenzen und Grimassen
Es dauert lange, bis die Gesichter aus den Materialien befreit sind. Die Grenzen, die gesetzt werden, entstehen aus den Menschen und Stoffen heraus. Da werden Grimassen geschnitten, wird symbolisch ein Kind geboren, erhebt sich die Figur einer Urmutter. Die Funktion der Stoffe ist ambivalent, bieten sie doch gleichzeitig Schutz vor Bedrohungen durch Außenwelten. Gewalt von Menschen, aber auch Naturgewalten wie Hochwasser werden von dieser Gemeinschaft mit starkem Lebenswillen bezwungen.
Danach zerbricht dieses Stück durch einen zweiten Teil, in dem unvermutet die Atmosphäre des Karnevals von Rio ein wenig klischeehaft eindringt. Zu Musik und Herzschlag-Beats wird in einer bunt glitzernden Traumwelt toll und mit humorvollen Einfällen getanzt, trifft ein Karneval-König auf schillernde Persönlichkeiten: Kleider machen Leute, sorgen für Lebensfreude und ermöglichen nun einen energiegeladenen Tanz. Diese erleichternde wie spielerische Oberfläche rückt jedoch die geheimnisvolle Tiefe der ersten Szenen in den Hintergrund.
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