Bis heute umstritten: Hitlers Lieblings-Regisseurin

Eine lächelnde Frau hält eine Kamera in der Hand.
Riefenstahls Olympiafilm wird von den einen als Propagandawerk verurteilt, von anderen als "Meisterwerk der Filmgeschichte" geehrt.

Hitlers "Lieblings-Regisseurin" Leni Riefenstahl ist wohl die umstrittenste Filmemacherin der Kinogeschichte. Ihr berühmtester Film neben der NS-Parteitags-Verherrlichung "Triumph des Willens" (1935) ist der zweiteilige Dokumentarfilm "Fest der Völker"/"Fest der Schönheit" über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Über 40 Kameraleute drehten mehr als 400 Kilometer Film und setzten dabei auch Handkameras, Unterwasserkameras und Kräne ein.

Der Film wurde vor 75 Jahren - am 20. April 1938 - in Anwesenheit Hitlers zu dessen 49. Geburtstag im Berliner Ufa-Palast am Zoo uraufgeführt. Seitdem sind die Urteile über den Film gespalten. Die einen sprechen wegen der avantgardistischen Ästhetik der Bilder von einem "Meisterwerk der Filmgeschichte" und vom besten Sportlerfilm aller Zeiten. Hollywood-Regisseur George Lucas nannte Riefenstahl sogar "die modernste Filmemacherin überhaupt".

Mirtha Legrand winkt mit ihrer Hand in die Kamera.
Adolf Hitler's filmmaker Leni Riefenstahl, the last of Germany's famous Nazi-era figures, has died weeks after turning 101, a journalist with links to her family said on September 9, 2003. "Frau Riefenstahl died without pain, she fell asleep in her bed on Monday night," said Celia Tremper, a journalist for Bunte magazine who said she has close links with Riefenstahl. Riefenstahl, whose films of a Nazi party rally and the 1936 Berlin Olympics brought her pre-war fame and postwar notoriety, had been too sick to give interviews or make media appearances in recent months. She is seen at age 98 in Frankfurt in this October 19, 2000 file photo. Photo by Alexandra Winkler/Reuters
Die anderen bezeichnen die 2003 im Alter von 101 Jahren in New York gestorbene Regisseurin dagegen als eine der "bekanntesten Kollaborateurinnen des NS-Regimes", die ihre Seele verkauft habe. Sie sei eine politisch naive Filmemacherin und Propagandistin des faschistischen Menschenbildes und der NS-Rassentheorie gewesen, so die Kritiker.

Nachfolger der Antike

Das gelte auch für ihren Olympiafilm. Darin greift Riefenstahl zu Beginn auf das antike Athen zurück, um das Dritte Reich quasi als mythischen Nachfolger der Antike zu verherrlichen, zeigt einen von Nebelschwaden begleiteten Fackellauf durch Europa und endet mit dem berüchtigten "Lichtdom" Albert Speers.

Der Riefenstahl-Biograf und künstlerische Leiter der Deutschen Kinemathek in Berlin, Rainer Rother, spricht nüchtern von einem Film, der - vom Inhalt abgesehen - im Stil völlig neue Wege gehe. Statt nur den rein dokumentarischen Ablauf der Ereignisse zu zeigen, würden filmische Spannungsbögen aufgebaut. Dieser neue Filmstil sei auch einer der Gründe, warum der Olympiafilm zum Teil auch internationale Anerkennung fand.

Boykottaufruf

Die deutsche NS-Presse jubelte: "Viele Ausländer werden ihr Urteil über das Dritte Reich gründlich ändern!" Der Versuch allerdings, das Werk auch in den USA zu platzieren, endete in einem Boykottaufruf. Fast zeitgleich fanden im Hitler-Deutschland die Juden-Pogrome vom 9. November 1938 statt. Dennoch zählt das Time-Magazin den Film noch heute zu den 100 besten Filmen aller Zeiten.

Für das Ausland wurden auch verschiedene Fassungen hergestellt. Im Nachkriegsdeutschland wurde der Film von der Filmbewertungsstelle 1958 unter "entnazifizierenden" Schnittauflagen freigegeben, die unter anderem die Darstellung von Hakenkreuzen oder Großaufnahmen Hitlers betrafen.

Öffentlich zugelassen

An einer Stelle wurde bei einer deutschen Siegerehrung das sogenannte Horst-Wessel-Lied der SA ("Die Fahne hoch") durch das Deutschlandlied ersetzt. Anders als Riefenstahls Parteitagsfilm "Triumph des Willens", der bis heute nur für wissenschaftliche oder filmhistorische Zwecke zur Verfügung steht, ist der Olympiafilm in der Fassung von 1958 für öffentliche Vorführungen zugelassen und auch im freien Vertrieb erhältlich.

Riefenstahl selbst hat sich nach dem Krieg immer als naive Künstlerin dargestellt. "Ich kann nicht einmal die SA von der SS unterscheiden", sagte sie einmal. Wie viele andere Deutsche sei sie von Hitler fasziniert gewesen, ohne die andere Seite zu sehen. Ihr Biograf Rother sagte in einem dpa-Gespräch: "Sie war sicherlich nicht eine verführte Künstlerin, weil sie zu genau wusste, wie man das Spiel spielt, zum Beispiel das ungewöhnlich viele Geld zu bekommen, um ihren kostspieligen Film realisieren zu können."

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